Somatoforme Störung: Was hinter unerklärlichen Schmerzen und Symptomen steckt

Was ist eine Somatoforme Störung?
Im internationalen Klassifikationssystem ICD-10 (das weltweit gültige Klassifikationssystem für Krankheiten) werden Somatoforme Störungen unter dem Code F45 geführt. Dazu zählen verschiedene Untergruppen wie die Somatisierungsstörung, die Hypochondrische Störung oder die anhaltende Schmerzstörung.
Welche Formen und Ausprägungen der Somatoformen Störung gibt es?
- Somatisierungsstörung (F45.0): Über mindestens zwei Jahre treten immer wieder wechselnde Beschwerden auf. Häufig kommen familiäre oder soziale Probleme hinzu, die zusätzlich belasten.
- Undifferenzierte Somatoforme Störung (F45.1): Hier bestehen Beschwerden über mindestens sechs Monate, die nicht alle Kriterien der Somatisierungsstörung erfüllen, aber dennoch als sehr belastend empfunden werden.
- Hypochondrische Störung (F45.2): Vielleicht kennst du die ständige Sorge, schwer erkrankt zu sein. Normale Körperempfindungen werden schnell als Anzeichen einer ernsten Krankheit gedeutet – ärztliche Entwarnungen helfen nur kurzzeitig.• Somatoforme autonome Funktionsstörung (F45.3): Es bestehen anhaltende körperliche Beschwerden, die auf ein bestimmtes Organsystem (z. B. Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Atmung oder Harnwege) bezogen sind, ohne dass eine organische Ursache nachweisbar ist. Die Symptome ähneln typischen Zeichen einer körperlichen Erkrankung, sind aber Ausdruck psychischer Belastung.
- Anhaltende Schmerzstörung (F45.4): Du leidest über längere Zeit unter starken Schmerzen – etwa an Kopf, Rücken, Muskeln oder Gelenken – ohne dass eine körperliche Ursache gefunden werden kann.
- Sonstige somatoforme Störungen (F45.8): Dazu gehören funktionelle Beschwerden wie Atemnot, Herzrasen oder Juckreiz, die psychisch bedingt sind.
- Nicht näher bezeichnete somatoforme Störung (F45.9): Dazu zählen Beschwerden, die nicht eindeutig einer Unterform zugeordnet werden können.
Ursachen: Was steckt hinter einer Somatoformen Störung?
Die Gründe für eine Somatoforme Störung sind komplex – meist spielen mehrere Faktoren gleichzeitig zusammen, zum Beispiel:
- Psychologische Ursachen: Anhaltender Stress, traumatische Erfahrungen oder auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können eine Rolle spielen.
- Biologische Einflüsse: Veränderungen in der Art und Weise, wie das Gehirn Schmerzen und Stress verarbeitet, sind manchmal Auslöser.
- Soziale Faktoren: Konflikte in der Familie oder im Beruf, aber auch fehlende Unterstützung im Umfeld können dahinterstecken.
- Auslösende Ereignisse: Häufig gibt es konkrete Auslöser wie eine Trennung, Probleme im Job oder den Verlust eines geliebten Menschen.
Wichtig ist: Du bildest dir deine Beschwerden nicht ein. Sie sind Ausdruck einer engen Verbindung zwischen deinem Körper und deiner Psyche.
Was sind typische Symptome und Beschwerden einer Somatoformen Störung?
Die Symptome einer Somatoformen Störung sind vielfältig und können sich bei jeder betroffenen Person unterschiedlich äußern. Ein Kennzeichen ist, dass die Beschwerden häufig wechseln oder in verschiedenen Kombinationen auftreten. Viele Betroffene durchlaufen eine lange Phase der Unsicherheit, da trotz zahlreicher Untersuchungen keine eindeutige körperliche Ursache gefunden wird.
Häufig treten folgende Beschwerden auf:
- Schmerzen: Dazu gehören Kopf- und Rückenschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, die teilweise sehr intensiv empfunden werden. Für Betroffene wirken die Schmerzen real und belastend, auch wenn ärztliche Befunde die Stärke nicht erklären können.
- Magen-Darm-Probleme: Wiederkehrende Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen, Durchfall, Verstopfung oder ein Reizdarm sind typisch. Oft wechseln die Symptome oder treten in Schüben auf.
- Herz-Kreislauf-Symptome: Viele Betroffene berichten von Herzrasen, Herzstolpern, Schwindel oder Brustschmerzen – Beschwerden, die zunächst an eine körperliche Erkrankung erinnern.
- Urogenitale Beschwerden: Schmerzen beim Wasserlassen, Unterleibsbeschwerden oder sexuelle Funktionsstörungen sind ebenfalls möglich.
- Allgemeine Symptome: Häufig kommt es zu Erschöpfung, Müdigkeit, Schlafstörungen oder Atemproblemen, die das Wohlbefinden stark einschränken.
Begleitend treten nicht selten Angstzustände oder depressive Verstimmungen auf. Teilweise entwickeln sich die Beschwerden zu einem chronischen Verlauf, der Betroffene stark im Alltag einschränken kann.
Somatoforme Störung: Auswirkungen im Alltag
Wiederkehrende Beschwerden, für die es keine klare Ursache gibt, sind zermürbend. Die Belastung im Alltag ist hoch, da viele Aktivitäten eingeschränkt werden oder ganz wegfallen.
Häufig zeigen sich folgende Auswirkungen:
- Schwierigkeiten im Beruf: Wer ständig unter Schmerzen oder Erschöpfung leidet, kann sich oft schlecht konzentrieren und ist weniger leistungsfähig. In schweren Fällen droht sogar eine längere Arbeitsunfähigkeit.
- Sozialer Rückzug: Viele Betroffene ziehen sich zurück, weil sie sich unverstanden fühlen oder ihre Symptome als peinlich empfinden. Vielleicht meiden Sie auch Freizeitaktivitäten, die Ihnen früher Freude bereitet haben.
- Belastung für Partnerschaft und Familie: Die ständige Ungewissheit kann auch das engste Umfeld stark belasten. Angehörige fühlen sich oft hilflos oder überfordert, weil sie nicht wissen, wie Sie Ihnen am besten helfen können.
- Unsicherheit durch medizinische Checks: Wiederholte Untersuchungen ohne klare Ergebnisse verstärken das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, und führen zu zusätzlicher Verunsicherung.
Diese Kombination aus körperlicher Belastung und seelischem Druck macht deutlich, wie wichtig eine ganzheitliche Sicht auf die Erkrankung ist.
Somatoforme Störung: Diagnose und Erkennung
Die Diagnose einer Somatoformen Störung ist nicht einfach und verlangt Zeit sowie Vertrauen zwischen Ihnen und Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Da die Symptome sehr unterschiedlich sein können, müssen zunächst mögliche körperliche Ursachen gründlich ausgeschlossen werden.
Wenn keine ausreichende organische Erklärung gefunden wird, rückt die psychische Ebene in den Vordergrund. Hier kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, etwa:
- Test auf eine Somatoforme Störung: Standardisierte Fragebögen helfen, Art, Intensität und Dauer der Beschwerden systematisch zu erfassen.
- Test auf psychische Erkrankungen: Diese Tests klären, ob zusätzlich weitere Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen vorliegen.
Entscheidend ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit: Wenn Ärztinnen, Psychotherapeuten und Sie als Patientin oder Patient gemeinsam an der Diagnosestellung arbeiten, entsteht ein besseres Verständnis für die Erkrankung – und damit eine Grundlage für die passende Behandlung.
Behandlung und Therapie einer Somatoformen Störung
Eine erfolgreiche Therapie berücksichtigt immer mehrere Aspekte gleichzeitig. Ziel ist nicht nur, Ihre Symptome zu lindern, sondern auch den Umgang mit den Beschwerden zu verbessern und die Ihre Lebensqualität zurückzugewinnen.
- Psychotherapie: Besonders hilfreich ist die kognitive Verhaltenstherapie. Sie unterstützt dich dabei, ungünstige Denkmuster zu verändern, Stress abzubauen und Strategien für den Alltag zu entwickeln. Bei einer frühzeitigen psychotherapeutischen Behandlung ist die Prognose der Heilung besonders gut. Zudem können innerhalb einer Therapie weitere Erklärungen gefunden werden, um eine Verbesserung der bestehenden psychischen Störung zu erarbeiten.
- Bewusster Umgang mit Arztbesuchen: Häufige Praxiswechsel oder übermäßige Untersuchungen verstärken oft Unsicherheit. Versuche, Vertrauen zu einer festen Ärztin oder einem festen Arzt aufzubauen.
- Medikamente: Diese kommen nur dann infrage, wenn zusätzlich Depressionen oder Angststörungen bestehen. Auch dann wird genau abgewogen, ob Nutzen oder mögliche Nebenwirkungen überwiegen.
- Soziale Unterstützung: Gespräche mit Freundinnen und Freunden, der Familie oder der Austausch in Selbsthilfegruppen helfen Ihnen, das Gefühl der Isolation zu verringern.
Das Zusammenspiel dieser Elemente macht deutlich: Eine Somatoforme Störung ist behandelbar – auch wenn der Weg oft Geduld erfordert.
Somatoforme Störung im Alltag: Tipps zur Linderung von Symptomen
Neben der professionellen Behandlung kannst du selbst einiges tun, um dein Wohlbefinden positiv zu beeinflussen. Kleine Veränderungen im Alltag machen oft einen großen Unterschied:
- Regelmäßiger Schlaf: Gehe möglichst zu festen Zeiten ins Bett und stehe auf. Dein Körper gewinnt dadurch an Stabilität.
- Bewegung: Schon kurze Spaziergänge oder leichte sportliche Aktivitäten können Beschwerden lindern und die Stimmung verbessern.
- Entspannungstechniken: Methoden wie Atemübungen, Achtsamkeit, Yoga oder Meditation helfen, Stress zu reduzieren und die Aufmerksamkeit vom Symptomgeschehen wegzulenken.
- Soziale Kontakte: VerbringeZeit mit Menschen, die dir guttun. Gemeinsame Aktivitäten können ablenken und neue Energie geben.
- Tagebuch führen: Notiere, wann und in welchen Situationen Beschwerden auftreten. Das kann dabei helfen, Muster zu erkennen und Zusammenhänge besser zu verstehen.
Häufige Fragen zur Somatoformen Störung
Ist eine somatoforme Störung eine Depression?
Nein, eine Somatoforme Störung ist keine Depression, tritt aber häufig gemeinsam mit depressiven Symptomen auf. Beide Erkrankungen können einander verstärken, weshalb eine kombinierte Behandlung sinnvoll sein kann.
Welche Ärztin oder welcher Arzt bei somatoformer Störung?
Zunächst solltest du deine Hausärztin oder deinen Hausarzt aufsuchen. Eine Überweisung zu Fachleuten für Psychosomatik oder Psychiatrie ist anschließend sinnvoll.
Ist eine Angststörung eine somatoforme Störung?
Ist Hypochondrie eine somatoforme Störung?
Ja, die Hypochondrische Störung gehört zu den Somatoformen Störungen. Typisch ist die ständige Angst, schwer krank zu sein, obwohl ärztlich keine Ursache gefunden wird.
Ist Fibromyalgie eine somatoforme Störung?
Nein. Fibromyalgie ist eine eigenständige Erkrankung mit chronischen Schmerzen, wird aber manchmal im Zusammenhang mit somatoformen Beschwerden diskutiert.
Carina Lethe
Psychologin bei der DAK-Gesundheit
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