Posttraumatische Belastungsstörung: Was du wissen solltest und welche Behandlung dir hilft

Viele Menschen können Ereignisse wie einen schweren Unfall, eine Krankheit, einen beruflichen Misserfolg, einen Missbrauch oder eine andere Gewalterfahrung nach einer Weile verarbeiten. Doch manchmal brennen sich die Bilder, Geräusche und Gefühle so tief ein, dass sie immer wieder hochkommen – selbst Monate oder Jahre später. Das ist typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Etwa 2 bis 3 Prozent aller Menschen in Deutschland entwickelt mindestens einmal im Leben eine PTBS. Wenn du betroffen bist, bist du damit nicht allein. PTBS ist eine anerkannte psychische Erkrankung, die behandelbar ist. Hier erfährst du, was eine Posttraumatische Belastungsstörung genau ist, welche Symptome typisch sind, wie die Diagnose gestellt wird und welche Therapieformen dir helfen können, wieder Stabilität und Lebensqualität zu gewinnen.
Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?
Vielleicht kennst du das Gefühl, ein Trauma immer wieder zu durchleben – als ob du innerlich in einer Endlosschleife feststeckst. Erinnerungen kommen plötzlich und heftig, oft ausgelöst durch scheinbar harmlose Dinge: ein Geräusch, ein Geruch, ein bestimmter Ort. Dauern die Beschwerden länger als vier Wochen an, wird von einer posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen.
Typisch für eine PTBS sind vier Symptomgruppen (dazu weiter unten mehr):
- Wiedererleben des Traumas, das heißt: Flashbacks können auftreten und das traumatische Erlebnis wird erneut erlebt bzw. es wird sich daran erinnert. Auslöser ist in der Regel ein Trigger.
- Vermeidung
- Übererregung, der Körper ist also ständig in Alarmbereitschaft, so, als würde die Gefahr noch bestehen – obwohl man eigentlich sicher ist.
- Negative Gedanken und Gefühle
Die Abkürzung PTBS ist in der Medizin gängig – in internationalen Texten liest du oft auch die englische Abkürzung PTSD (Post-Traumatic Stress Disorder).
Wie entsteht eine Posttraumatische Belastungsstörung?
Eine PTBS entsteht nicht durch „Schwäche“, sondern durch ein Ereignis, das die seelische Belastungsgrenze überschreitet. Viele Betroffene berichten, dass sie in der Situation selbst wie „erstarrt“ waren, und erst später die Erinnerungen mit voller Wucht zurückkehrten. An einer PTBS erkranken nicht nur Opfer traumatischer Erlebnisse, auch Zeuginnen.
Typische Auslöser sind:
- Schwere Unfälle – zum Beispiel ein Verkehrsunfall oder ein Arbeitsunfall.
- Gewalterfahrungen – körperliche Misshandlung, sexuelle Gewalt oder Überfälle.
- Krieg, Flucht und Terror – Menschen, die Gewalt oder Folter erleben mussten, sind besonders häufig betroffen.
- Naturkatastrophen – wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Brände.
- Plötzliche Verluste – etwa der unerwartete Tod einer nahestehenden Person.
Doch nicht jeder entwickelt nach einem Trauma eine PTBS. Ob sie entsteht, hängt auch von bestimmten Risikofaktoren ab. Einige davon sind:
- Dauer und Schwere des traumatischen Ereignisses
- Fehlende soziale Unterstützung danach
- Individuelle Faktoren wie Vorerkrankungen, genetische Veranlagung oder Persönlichkeit
Wichtig: Eine PTBS kann auch erst sehr spät nach dem Ereignis entstehen, manchmal sogar erst Jahre später
Die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung
Vielleicht hast du auch schon den Begriff komplexe PTBS gehört. Sie beschreibt eine besondere Form der Störung, die häufig nach wiederholten oder langanhaltenden Traumatisierungen entsteht – etwa nach Gewalt in der Kindheit, Gefangenschaft oder jahrelangem Missbrauch.
Zusätzlich zu den klassischen PTBS-Symptomen treten hierbei oft auf:
- Störungen im Selbstbild: Gefühl von Wertlosigkeit, Scham oder Schuld.
- Probleme in Beziehungen: Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen oder Vertrauen aufzubauen.
- Emotionale Dysregulation: Extreme Stimmungsschwankungen, Wutausbrüche, Selbstverletzungen.
Die komplexe PTBS wird seit der neuen ICD-11 offiziell als eigene Diagnose geführt und gehört zu den Traumafolgestörungen. Die ICD ist die internationale Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In ihr sind alle anerkannten Erkrankungen mit einem Diagnose-Code festgehalten – die PTBS ist also eine offiziell anerkannte psychische Erkrankung.
Typische Symptome und Beschwerden einer Posttraumatischen Belastungsstörung
Vielleicht fragst du dich jetzt: Woran erkenne ich, ob ich eine PTBS habe? Die Symptome sind vielfältig, doch vier Hauptbereiche treten immer wieder auf:
- Wiedererleben (Intrusionen):
- Du hast Flashbacks, also sehr deutlichen Erinnerungen an das traumatische Erlebnis, die sich nicht verdrängen lassen und durchlebst das Trauma erneut.
- Du leidest unter belastenden Albträumen
- Du spürst besonders intensive Gefühle und Körperreaktionen beim Erinnern
- Vermeidung:
- Du meidest aktiv Orte, Gespräche oder Menschen, die Erinnerungen wecken könnten
- Du unterdrückst Gedanken und Gefühle
- Übererregung (Hyperarousal):
- Du leidest unter starker innerer Unruhe und Nervosität
- Du hast Schlafprobleme und Konzentrationsschwierigkeiten
- Du bist schnell reizbar und sehr schreckhaft
- Negative Gedanken und Gefühle:
- Du empfindest Schuld, Scham oder machst dir Selbstvorwürfe
- Du hast ein Gefühl von Entfremdung („Ich bin nicht mehr wie früher“)
- Hoffnungslosigkeit und depressive Verstimmungen sind dir nicht fremd
Diese Symptome können einzeln auftreten, oft aber verstärken sie einander. Ohne Behandlung können sie über Monate oder Jahre bestehen bleiben und das gesamte Leben beeinflussen – von zwischenmenschlichen Beziehungen über die Arbeit bis hin zur körperlichen Gesundheit. Zudem können sich weitere psychische Erkrankungen entwickeln. Bei Menschen, die bereits eine psychische Erkrankung haben, ist das Risiko für eine PTBS höher.
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Diagnose: Wie wird eine PTBS festgestellt?
Die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung kann nur von Fachleuten wie Psychiaterinnen oder Psychotherapeuten gestellt werden. Viele Betroffene erleben zuvor eine lange Phase der Unsicherheit. Fragen wie „Stelle ich mich an?“, „Warum kann ich das nicht einfach vergessen?“ sind oftmals sehr präsent.
Die Diagnose erfolgt in mehreren Schritten:
- Anamnese-Gespräch: Mit Fachleuten führst du ein detailliertes Gespräch über das Trauma und deine aktuellen Beschwerden.
- Diagnostische Kriterien: Nach ICD-10, ICD-11 oder DSM-5 werden die Hauptsymptome überprüft.
- Fragebögen und Tests: Um die Diagnose zu unterstützen, nutzen Fachleute oft standardisierte Instrumente. Häufig kommen der CAPS-Test (Clinician-Administered PTSD Scale) oder der IES-R (Impact of Event Scale – Revised) zum Einsatz. Diese Fragebögen helfen dabei, die Symptome genauer einzuschätzen und die Schwere der PTBS zu beurteilen.
- Differenzialdiagnose: Eine Abgrenzung zu einer Depression, Angststörungen oder Substanzmissbrauch findet statt.
Posttraumatische Belastungsstörung: Behandlung & Therapie
Die wichtigste Botschaft: PTBS ist behandelbar. Je früher deine Behandlung beginnt, desto größer die Chancen, dass du wieder Stabilität findest.
- Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapien – Hier setzt du dich in einem geschützten Rahmen mit deinen Erinnerungen auseinander.
Diese Therapie besteht im Wesentlichen aus drei Bausteinen:
- Aufklärung (Psychoedukation)
Die Therapeutin oder der Therapeut erklärt, was PTBS ist, warum bestimmte Symptome auftreten und was im Körper und im Gehirn passiert. Das hilft, die eigenen Reaktionen besser zu verstehen und weniger Angst davor zu haben. - Kognitive Umstrukturierung
Dabei werden belastende Gedanken überprüft und verändert. Viele Menschen entwickeln nach einem Trauma sehr harte Gedanken über sich selbst, beispielsweise „Ich bin schuld“ oder „Die Welt ist völlig gefährlich“. Die Therapeutin oder der Therapeut hilft, realistischere, entlastende Gedanken zu finden. - Auseinandersetzung mit den Erinnerungen
Das bedeutet nicht, dass man „gezwungen“ wird, das Trauma zu erzählen, sondern dass man in einem sicheren Rahmen lernt, Schritt für Schritt über das Erlebnis zu sprechen oder es gedanklich durchzugehen, ohne davon überwältigt zu werden. Mit der Zeit verliert die Erinnerung ihre überwältigende Macht. - EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) – Hierbei verarbeitest du das Trauma durch Augenbewegungen. Bei dieser Methode wirst du im Gespräch mit der Therapeutin oder dem Therapeuten gebeten, dich an belastende Erinnerungen zu erinnern. Gleichzeitig folgst du mit den Augen bestimmten Bewegungen, zum Beispiel den Fingern des Therapeuten. Diese rhythmischen Augenbewegungen scheinen ähnliche Prozesse im Gehirn anzustoßen wie im Traumschlaf (REM-Phase). Dadurch können die Erinnerungen nach und nach neu verarbeitet und ihre emotionale Belastung abgeschwächt werden.
- Narrative Expositionstherapie – Belastende Lebensereignisse werden hier strukturiert und nacheinander aufgearbeitet.
Weitere Ansätze, die unterstützen können, sind:
- Gruppentherapie und Selbsthilfegruppen
- Psychoedukation, denn Wissen über die Erkrankung reduziert Schuldgefühle
- Entspannungstechniken wie Atemübungen, Achtsamkeit oder Yoga
- Körperliche Aktivität, um Stress abzubauen
- Ergotherapie, Kunsttherapie oder Physiotherapie können ergänzend eingesetzt werden
Wichtig: Eine Therapie zu machen bedeutet nicht, dass du das Trauma „vergessen“ musst. Vielmehr geht es darum, dass die Erinnerungen ihre Macht verlieren und du dein Leben wieder selbstbestimmt gestalten kannst.
Leben mit PTBS
Mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu leben, fühlt sich oft an wie ein ständiger Kampf – gegen Erinnerungen, Ängste und Erschöpfung. Doch du bist diesem Gefühl nicht ausgeliefert. Es kostet viel Kraft, das gewohnte Gefühl der Schwere loszulassen und sich auf die Leichtigkeit einzulassen. Mut und vor allem Vertrauen ins Leben zurückzugewinnen ist die für einen einfacher als für andere. Ein paar Wege gibt es, wie du deinen Alltag wieder leichter gestalten kannst:
- Alltag strukturieren: Feste Routinen können dir Sicherheit geben.
- Selbstfürsorge: Sorge gut für dich – ausreichend Schlaf, Bewegung und gesunde Ernährung sind kleine, aber wichtige Schritte.
- Umgang mit Triggern: Lerne, deine Auslöser zu erkennen. Atemübungen oder kurze Pausen können helfen, dich wieder zu beruhigen.
- Soziale Unterstützung: Sprich mit Menschen, denen du vertraust. Manchmal reicht schon das Gefühl, nicht allein zu sein.
- Hilfsangebote nutzen: Beratungsstellen, Fachleute aus der Traumatherapie oder Krankenkassen bieten konkrete Unterstützung an.
Psychotherapie
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Häufige Fragen zur Posttraumatischen Belastungsstörung
Wie lange dauert eine posttraumatische Belastungsstörung?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Menschen erholen sich nach einigen Monaten, bei anderen kann die PTBS über Jahre bestehen bleiben. Frühzeitige Hilfe erhöht die Chancen auf Heilung.
Was ist der ICD-Code für eine posttraumatische Belastungsstörung?
Im ICD-10 lautet der Code F43.1. In der ICD-11 gibt es zusätzlich die Diagnose der komplexen PTBS.
Ist eine posttraumatische Störung eine Behinderung?
Eine posttraumatische Belastungsstörung kann dazu führen, dass sich das Leben sehr beschwerlich anfühlt und selbst alltägliche Aufgaben kaum noch zu schaffen sind. Diese Empfindungen können auftauchen und stark belasten. Wenn es dir so geht, versuche bitte, dir Unterstützung zu holen – das erfordert Mut, aber du musst damit nicht allein bleiben. Ein guter erster Schritt kann ein Gespräch mit deiner Hausärztin oder deinem Hausarzt sein. Denk daran: Es gibt Wege, Hilfe zu bekommen, und du musst dich für solche Gefühle nicht schämen. Beeinträchtigt deine PTBS dich und dein Leben schwerwiegend, kann die posttraumatische Belastungsstörung zur Vergabe eines GdB (Grad der Behinderung) führen.
Welche Klinik bei posttraumatische Belastungsstörung?
Spezialisierte Traumakliniken, psychosomatische Kliniken und Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sind auf die Behandlung von PTBS spezialisiert. Deine Krankenkasse unterstützt dich bei der Suche.
Kann eine Posttraumatische Belastungsstörung von alleine verschwinden?
Manche Betroffene erleben eine Besserung ihrer Beschwerden auch ohne Behandlung – vor allem, wenn sie ein stabiles soziales Umfeld haben und das Trauma nicht wiederholt wird. Häufig bleibt die PTBS jedoch bestehen oder verschlimmert sich sogar im Laufe der Zeit.
Was ist der Unterschied zwischen PTBS und Depression?
Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entsteht nach einem traumatischen Erlebnis und ist geprägt durch Flashbacks, Vermeidung, Übererregung und negative Gedanken. Eine Depression dagegen kann auch ohne Trauma auftreten und äußert sich vor allem durch anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust und Antriebslosigkeit. Beide Erkrankungen können gleichzeitig vorkommen – nicht selten entwickeln Menschen mit PTBS zusätzlich eine Depression.
Carina Lethe
Psychologin bei der DAK-Gesundheit

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