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Das hilft bei Schlafstörungen in den Wechseljahren – Interview mit Hormonexpertin Claudia Thorn

Schlafstörungen in den Wechseljahren: Eine Frau mittleren Alters sitzt auf ihrem Bett und kann nicht schlafen

Bei vielen Frauen beginnen die Probleme etwa mit Mitte 40: Das Einschlafen und das Durchschlafen gelingen seltener als zuvor – und am Morgen fühlt man sich zerschlagen. Die Folgen sind mehr als unangenehm: chronische Erschöpfung und Konzentrationsstörungen – aber auch ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Demenz. Wie Hormone den Schlaf beeinflussen und was sich gegen Schlafstörungen in den Wechseljahren tun lässt, erklärt die Ärztin und Wechseljahresexpertin Claudia Thorn im Interview.

Welche Schlafstörungen sind ein Symptom der Wechseljahre?

„Viele Frauen in den Wechseljahren klagen über Einschlaf- und vor allem Durchschlafstörungen. Laut Umfragen sind etwa 30 bis 60 Prozent aller Frauen in den Wechseljahren betroffen. Ob tatsächlich die Hormone und die Wechseljahre an der schlechten Schlafqualität schuld sind, lässt sich am besten mit einer sorgfältigen Anamnese herausfinden. Wenn ich zum Beispiel schlecht schlafe, weil ich immer bis abends spät am Computer sitze oder mein Partner laut schnarcht, ist das noch keine Schlafstörung. Wenn ich aber unabhängig von solch ungünstigen Rahmenbedingungen über Wochen hinweg schlecht ein- oder durchschlafe, könnten die Wechseljahre dahinterstecken. Erste Hinweise dafür sind zusätzliche Symptome wie Hitzewallungen, Grübeln und Gedankenkreisen. Und: Das plötzliche Aufwachen mitten in der Nacht. Wenn Sie regelmäßig um drei Uhr hellwach sind, ist das meiner Erfahrung nach oft ein Zeichen, dass der Körper gerade mit hormonellen Dysbalancen zu kämpfen hat.“

Was versteht man unter Schlafstörungen? 

Nicht jede schlaflose Nacht ist gleich Zeichen einer Schlafstörung. Doch wenn der Schlaf sich ohne erklärbaren äußeren Grund (z.B. Stress, später Kaffee oder schlechte Schlafhygiene) über längere Zeit in der Qualität spürbar verschlechtert und es zu dauerhaften Ein- und Durchschlafproblemen mit spürbaren Folgen für die Leistungsfähigkeit am Tag kommt, spricht man von Schlafstörungen. Die Medizin unterscheidet primäre und sekundäre Schlafstörungen. Primäre Schlafstörungen treten ohne eine zugrunde liegende Erkrankung auf. Zu ihnen gehören neben den Ein- und Durchschlafstörungen zum Beispiel auch das Schlafwandeln und das ‚Restless-Leg-Syndrom‘. Sekundäre Schlafstörungen sind Folgesymptome spezieller Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.   

Schlafstörungen in den Wechseljahren – die Gründe

„Dass Frauen in den Wechseljahren oft schlechter schlafen, hat mit dem Absinken der Hormone Progesteron und Östrogen zu tun. Progesteron ist unser ‚Kuschelhormon‘, es wirkt beruhigend, angstlösend und schlaffördernd, Östrogen unterstützt die Produktion des Schlafhormons Melatonin und ist insbesondere wichtig für das Funktionieren der REM- und Tiefschlafphasen. Die sind so wichtig, weil sie so etwas wie der Reset-Knopf unseres Köpers sind. In ihnen findet die geistige und körperliche Regeneration statt, die emotionale Verarbeitung des Tagesgeschehens, die für die Stressresistenz und die Gedächtnisleistung verantwortlich ist. 

Zusätzlich zu den hormonellen Belastungen kommen in den Wechseljahren noch psychische Belastungen wie Stress in Familie und Beruf dazu. Oft sind die Kinder gerade in der Pubertät und die eigenen Eltern werden vielleicht schon pflegebedürftig. Auch das kann einem den Schlaf rauben. Und auch die klassischen Symptome der Wechseljahre wie die oben genannten Hitzewallungen setzen zum Teil mitten in der Nacht ein.“

Wie viel Schlaf brauchen wir?

Das genaue Schlafbedürfnis ist individuell. Für die meisten Menschen sind sieben bis acht Stunden Schlaf pro Tag ideal. Kinder brauchen mehr, ältere Menschen tendenziell etwas weniger. Ausgeschlafen sind wir, wenn wir ohne Wecker aufwachen und uns tagsüber fit genug fühlen, längere Aufgaben mit normaler Konzentration zu bewältigen. Wichtig ist aber nicht nur die reine Schlafdauer, sondern auch die Schlafqualität. Bereits nach einem Glas Wein kann es zum Beispiel sein, dass man gar nicht in die Tiefschlaf-Phase kommt und dementsprechend wenig erholt am nächsten Morgen aufsteht.  

Welche Auswirkungen haben Schlafstörungen in den Wechseljahren? 

„Ein- und Durchschlafstörungen beeinflussen den Alltag und die Lebensqualität in den Wechseljahren erheblich. Das betrifft zum einen die familiäre und berufliche Leistungsfähigkeit. Wer schlecht und wenig schläft, ist erschöpfter, reizbarer und weniger belastbar. Aber es geht weit darüber hinaus, dass sich die Betroffenen nur müde durch ihren Alltag schleppen. Der Schlaf schützt vor psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Zusätzlich können die fehlenden REM- und Tiefschlafphasen Konzentrationsstörungen und „Brainfog“ verursachen, also das ebenfalls für die Wechseljahre typische Symptom, dass man sich nicht erinnern kann, was man eben noch tun wollte. Ein besonders ernstzunehmender Effekt ist das erhöhte Alzheimer-Risiko als Folge von chronischen Schlafstörungen. Wir wissen, dass sich hier das β-Amyloid in größeren Mengen ablagert – ein Bestandteil der gefährlichen ‚senilen Plaques“.
Das ist aber noch nicht alles: Durch den Schlafmangel kommt es auch zu einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Und das fördert gemeinerweise die gefährliche Fettansammlung um den Bauch herum, unsere ‚Meno-Mitte‘ – das Bäuchlein, das leider in den Wechseljahren oft so hartnäckig ist. Verbunden damit steigert Cortisol auch unseren Heißhunger auf Süßes, indem es Einfluss auf unsere Appetitregulatoren wie Leptin und Ghrelin nimmt. Es ist also ein ganzes Hormon-Orchester, mit dem wir es in den Wechseljahren zu tun haben. Der fehlende Schlaf spielt dabei eine Schlüsselrolle und kann unsere körperliche Balance in einen regelrechten Teufelskreis hineinziehen.“ 
Vorbereitung Gespräch Wechseljahre: Ärztin Claudia Thorn im Ganzkörperportrait

Dr. Claudia Thorn

Allgemeinmedizinerin & Expertin für Frauengesundheit

Dr. Claudia Thorn ist Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt Traditionelle Chinesische Medizin sowie Expertin für Frauengesundheit. In der von ihr gegründeten Dr. Claudia Thorn Academy begleitet und berät sie Frauen in den Wechseljahren. Dabei ist ihr der ganzheitliche Ansatz besonders wichtig. In ihrer Academy bringt sie ihr medizinisches Fachwissen aus der westlichen Welt mit der Weisheit der TCM zusammen. Ihr Ziel ist es, Frauen in ihre volle Kraft und Balance zu bringen.

Was hilft bei Schlafstörungen in den Wechseljahren?

„Es gibt keine pauschale Lösung, die für alle passt. Jede Frau ist individuell: das gilt eigentlich in allen Bereichen der Therapie rund um die Wechseljahre. Um den Problemen auf die Spur zu kommen, wird man aber auf jeden Fall mit einer genauen Bestandsaufnahme der Störungen und Begleitsymptome beginnen. Dazu kann ein Tracking des Schlafes mithilfe einer Uhr oder einem Ring gehören, man kann aber auch einfach ein Protokoll schreiben und festhalten: wie lange schlafe ich, wann bin ich zu Bett gegangen, wie ist mein Rhythmus? 

Dann gibt es verschiedene Wege zu versuchen, den Körper auf dem Weg zu einer hormonellen Regulation zu unterstützen: Die Hormonersatz-Therapie, am besten mit naturidentischem Östrogen und Progesteron. Aber auch mit Akupunktur und der chinesischen Kräutermedizin lässt sich viel für einen besseren Schlaf tun. Akupunktur wirkt direkt auf den Hypophysen-Komplex, also da, wo die hormonelle Steuerung des Schlafes beginnt. Nachgewiesen ist eine deutliche Reduktion von Hitzewallungen und Herzrasen schon nach 10 bis 15 Akupunktursitzungen. 

Oder man kombiniert die Hormon-Ersatz-Therapie mit alternativen Ansätzen, hier habe ich in meiner Praxis oft die besten Resultate. Das eine schließt das andere auf jeden Fall nicht aus, im Gegenteil: die Akupunktur schärft die Rezeptorsensitivität und sorgt so dafür, dass die Hormon-Ersatztherapie noch besser wirkt.“ 

Gibt es auch pflanzliche Mittel, die Sie empfehlen?

„Neben speziellen Heilkräutern, die Ihnen eine TCM-Medizinerin verschreiben kann, helfen auch die bekannten pflanzlichen Präparate mit beruhigender Wirkung, die wir in Europa kennen, zum Beispiel Hopfen, Baldrian, Melisse oder Passionsblume. Sehr empfehlenswert ist auch eine Einnahme von 300 bis 400 Milligramm Magnesium zum Abend. Das hat eine wunderbar schlaffördernde Wirkung und ist für viele Frauen ein echter Game-Changer. Ein Tipp ist auch das Gläschen Sauerkirschsaft zum Abend. Wenn ich das meinen Patientinnen sage, können die das immer nicht glauben. Aber Sauerkirschsaft ist wirklich ein Melatonin-Booster und damit schlaffördernd. Sie müssen allerdings ein wenig Geduld haben und wirklich eine Weile dranbleiben, damit der Körper sich darauf einstellen kann. 

Tipps für einen besseren Schlaf

  • Eine gute Nacht beginnt mit einem aktiveren Tag: Sorgen Sie tagsüber für ausreichend Bewegung an der frischen Luft, um abends wirklich müde zu sein.  
  • Kein Koffein nach 15 Uhr: Mindestens sieben Stunden vor dem Zubettgehen nichts Wachmachendes mehr zu sich nehmen.
  • Alkohol meiden: Er hilft kurz beim Einschlafen, verhindert aber die nächtliche Erholung und stört beim Durchschlafen.
  • Keine schwerverdaulichen und scharfen Mahlzeiten am Abend: Lassen Sie auch den Verdauungsapparat rechtzeitig zur Ruhe kommen.
  • Vermeiden Sie das Melatonin feindliche Blaulicht am Abend: Schalten Sie Computer und Handy rechtzeitig aus. Nützlich ist auch eine Blaulichtfilter-Brille.
  • Schaffen Sie sich beruhigende Einschlafrituale wie Musikhören, Buchlesen, Meditation, Atemübungen, Tagebuchschreiben

 

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Wann hören Schlafstörungen in den Wechseljahren wieder auf?

„Tatsächlich lassen die hormonell bedingten Schlafstörungen in der Postmenopause wieder nach. Allerdings kommt mit dem Älterwerden später eine Zeit, in der der Körper nicht mehr so viel Schlaf braucht. Die Folge ist oft, dass ältere Menschen mehrmals in der Nacht wachwerden oder schon in den frühen Morgenstunden aufstehen, Stichwort: senile Bettflucht. Aber auch diese Phase lässt sich gut bestehen, wenn man sich aktiv um einen erholsamen Nachtschlaf kümmert. “ 

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Autor(in)

Journalistin für Medizin und Gesundheitsthemen

Qualitätssicherung

Sakhi A. Noori

Mediziner bei der DAK-Gesundheit

Quellenangaben
Aktualisiert am:
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