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Harmoniebedürftig, aber nicht selbstlos

Harmoniebedürfnis: Eine Frau diskutiert lächelnd mit mehreren Arbeitskollegen.

Wir sehnen uns nach friedlichem Zusammenleben, Geborgenheit und dem Gefühl, mit allem im Reinen zu sein. Doch wo hört gesunde Friedfertigkeit auf und wo beginnt krankhafte Harmoniesucht?

Der Unterschied zwischen gesunder Friedfertigkeit und krankhafter Harmoniesucht

Na klar: Das Leben ist am schönsten, wenn sich alle einig sind. Doch Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Harmonie ist nicht immer leicht herzustellen. Allerdings gibt es Menschen, mit denen man nie in Streit kommt. Sie nicken viel, lächeln grundsätzlich und sagen nicht „Ich will“, sondern „Wie du magst“. Sie gießen über jede Auseinandersetzung eine klebrige Soße der Harmonie und des Verständnisses – aus Angst, nicht beliebt zu sein, jemanden zu verlieren oder nicht mehr geliebt zu werden. Was vordergründig erstrebenswert klingt, hat meistens eine andere Ursache: Diese Menschen leiden unter ausgeprägter Harmoniesucht. Und „leiden“ ist dabei durchaus wörtlich gemeint. Besonders betroffen von dieser Sucht oder auch Bedürftigkeit sind Frauen.

Harmoniesucht wurzelt in Kritik während der Kindheit

Wie so oft liegen die Wurzeln für derartiges Verhalten in der Kindheit. Wer häufig gehört hat: „Aus dir wird nie was“ oder „Du machst nur Ärger“, der kann kein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen. Die Worte „Nein“ und „Ich“ kommen im Wortschatz harmoniesüchtiger Menschen nur sehr selten vor. Auf Dauer ist das nicht nur anstrengend, sondern auch ungesund. Denn bei harmoniebedürftigen Menschen weiß man nie so recht, woran man ist.

Doch weil auch der friedfertigste Mensch irgendeine Schmerzgrenze hat, werden Auseinandersetzungen mit übermäßig harmonischen Menschen schnell destruktiv. Ängstliche Konfliktvermeidung einerseits führt nämlich häufig zu heftigen entwertenden Streits auf der anderen Seite.

Für harmoniebedürftige Menschen besteht die größte Herausforderung darin, konfliktfähig zu werden. Das heißt nicht, dass du dich von morgens bis abends mit Mann, Frau, Kindern, Kolleginnen oder Nachbarn streiten musst. Es handelt sich um eine soziale Kompetenz, die du mit Geduld lernen kannst. Mach dir klar, dass ein Konflikt nicht den Weltuntergang nach sich zieht. Im Gegenteil: Du wirst danach klarer sehen, wo deine Bedürfnisse liegen. Äußere dich eindeutig, kommuniziere mit Ich-Botschaften, vermeide pauschale, verletzende oder anklagende Äußerungen. Verdeutliche, dass du an Lösungen interessiert bist. Das bringt dich in jeder Auseinandersetzung weiter.

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Zum Beispiel Partnerschaft

Ein Gewitter reinigt die Luft, sagt der Volksmund. Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben, sie stärken uns und bringen uns weiter. Allzu viel Harmonie ist daher für keine Partnerschaft gesund, denn sie bedeutet im ungünstigsten Fall, dass sich einer der Partner ständig selbst verleugnet. Es fällt ihm schwer, dem anderen Grenzen aufzuzeigen. Doch diese Menschen leiden im Stillen und werden auf Dauer unglücklich. Im Laufe der Zeit sammelt sich derart viel Frust an, dass es irgendwann knallt. Für den Partner kommt ein derartiges Gewitter aus heiterem Himmel völlig überraschend, ihm sind die permanenten Grenzüberschreitungen nicht bewusst. Konstruktive Lösungswege zu beschreiten, ist in solch einer Situation eher schwierig.

Unser Tipp: Hast du einen harmoniesüchtigen Partner, wertschätze die Hingabe und Freundlichkeit, mit der er dir begegnet. Ermuntere ihn aber dazu, öfter seine Meinung zu sagen. Bist du selbst von Harmoniesucht betroffen, führe dir vor Augen, wie das für deinen Partner ist. Eigentlich weiß er oder sie nie, ob du tatsächlich Lust auf eine Reise ans Meer hast oder viel lieber in die Berge möchtest. Du kannst im Alltag das Nein-Sagen trainieren. Sag zum Beispiel Nein, wenn du gefragt wirst, ob’s ein bisschen mehr an der Käsetheke sein darf. So wirst du dich immer stärker darauf besinnen, was du eigentlich möchtest und diesen Standpunkt dann auch vertreten.

Zum Beispiel Berufsleben

Auch im Job gilt: Zunächst einmal ist ein Bedürfnis nach Harmonie nichts schlechtes. Hält es dich jedoch davon ab, Konflikte anzugehen und zu lösen, wird es zum Problem. Auf Dauer wirst du von den Kolleginnen und Kollegen nicht ernst genommen. Bist du in einer Führungsposition, schadest du mit systematischer Konfliktvermeidung sogar dem Unternehmen, deinen Mitarbeitenden und am Ende dir selbst. Denn wer seine Vorstellungen, Ideen und Anweisungen nicht durchsetzt, lässt die Beschäftigten orientierungslos zurück und fördert statt Harmonie Konflikte. Lob, Feedback, eigenverantwortliches Handeln, klare Entscheidungen und Erfolgskontrolle sind für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig, damit sie ihren Job gut machen können.

Frauen fällt es aufgrund ihrer Sozialisation immer noch schwerer, in die Rolle einer starken Anführerin zu schlüpfen. Ausgeprägtes Führungsverhalten bei Jungen und Männern ist akzeptiert, ja sogar erwünscht. Bei Mädchen wird es auch heute noch vielfach unterbunden.

So stärkst du dein Selbst

Niemand kommt mit einem geringen Selbstvertrauen, einem Hand zur Konfliktvermeidung oder Harmoniesucht auf die Welt. Es sind die Erfahrungen unserer Kindheit, die uns schüchtern und gehemmt werden lassen. Du kannst aber lernen, dich daraus zu befreien.

  • Erkenne Denkmuster, die dich belasten und ändere sie.
  • Führe positive innere Dialoge statt dich selbst abzuwerten und anzuzweifeln, was du kannst.
  • Mach dir ein ehrliches Bild von dir selbst.
  • Fühle genau hin, wenn du Freude, Begeisterung oder Spaß erlebst. Hab Mut und beginne auf dieser Basis, Angst, Unsicherheit und Ärger über dich selbst loszulassen.
  • Versuche, deine innere Mitte zu finden, damit du gelassener wirst, zur Ruhe kommst und loslassen kannst.
  • Trau dir etwas zu und nimm eine Herausforderung an. So sammelst du Erfolgserlebnisse, die dir zu einem selbstsicheren Auftreten und einer sicheren Körpersprache verhelfen.
Aktualisiert am:
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