Gesundheitsreport Thüringen 2018: Rücken! Mehr als eine Million Ausfalltage in Thüringer Betrieben
Erfurt, 3. Mai 2018. Rätsel Rücken: Trotz Prävention und zahlreicher Gesundheitskurse leiden in Thüringen mehr als 740.000 Erwerbstätige unter Rückenschmerzen, rund 126.000 von ihnen sogar chronisch. Immer mehr gehen mit ihren Beschwerden direkt ins Krankenhaus. Seit dem Jahr 2007 stieg die Zahl der stationären Behandlungen in Thüringen um etwa 42 Prozent an. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen im Land kamen 2017 rund 1,2 Millionen Ausfalltage wegen Rückenschmerzen zusammen. Das zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport „Rätsel Rücken – warum leiden so viele Thüringer unter Schmerzen?“. Nach der Umfrage hatten 70 Prozent aller Beschäftigten im vergangenen Jahr Rückenschmerzen. Jeder Vierte hat aktuell Beschwerden.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2018 ist Rückenschmerz mit mehr als 740.000 betroffenen Erwerbstätigen die zweitwichtigste Diagnose für den Krankenstand in Thüringen. Laut Umfrage im Rahmen des Reports leidet jeder achte Arbeitnehmer (zwölf Prozent) chronisch. Konkret heißt das: Mehr als 126.000 Patienten in Thüringen haben drei Monate oder länger Schmerzen im Kreuz. „Das gesundheitspolitische Ziel, das Problem Rücken in den Griff zu bekommen, wurde nach den Ergebnissen unserer Studie nicht erreicht“, sagt Marcus Kaiser, Leiter der DAK-Landesvertretung Thüringen. „Die Untersuchung sollte deshalb zum Anlass genommen werden, die Angebote in den Bereichen Prävention und Versorgung in Thüringen auf den Prüfstand zu stellen.“
42 Prozent mehr Krankenhausfälle – vor allem Notfälle
Die Problematik spiegelt sich auch in der stationären Behandlung wider: Thüringen hatte 2016 mehr als 7.600 Krankenhausfällen wegen Rückenschmerzen, ein Anstieg um 42 Prozent in den vergangenen neun Jahren. Der DAK-Report untersucht erstmals detailliert, wie Rückenschmerzpatienten in die Klinik kommen. Fazit: Die Hälfte der Betroffenen wird als Notfall aufgenommen. Im bundesweiten Vergleich liegt die Krankenhausinanspruchnahme der Thüringer bei Rückenschmerzen mit 369 je 100.000 Einwohnern und Jahr deutlich über dem Durchschnitt (306). In den neuen Bundesländern ist nur in Sachsen-Anhalt die Inanspruchnahme mit 425 noch höher. Um den Erwartungen der Betroffenen an die Versorgung in Thüringen möglichst gerecht zu werden und gleichzeitig die Notfallambulanzen der Kliniken zu entlasten, sieht der Leiter der DAK-Landesvertretung Marcus Kaiser Portalpraxen wie in Schleswig-Holstein, medizinische Versorgungszentren, teilstationäre Versorgungsangebote und einen verbesserten Terminservice bei den niedergelassenen Ärzten als wichtige Lösungsansätze.
Jeder 15te wegen Rücken krankgeschrieben
Für Krankschreibungen sind Rückenprobleme seit Jahren besonders relevant. Ihr Anteil an den Fehlzeiten in den Betrieben in Thüringen verharrt mit zehn Prozent auf hohem Niveau. „Trotz eines verstärkten Engagements im Betrieblichen Gesundheitsmanagement gibt es keine signifikante Verbesserung“, betont Marcus Kaiser. Laut DAK-Analyse ist Rückenschmerz die zweitwichtigste Diagnose überhaupt – gleich hinter akuten Atemwegsinfektionen. Etwa jeder 15te Beschäftigte war 2017 mindestens einmal wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben. „Wir müssen dem Rückenschmerz den Kampf ansagen“, so Kaiser, „und gemeinsam mit den Unternehmen das individuelle Arbeitsumfeld noch rückenfreundlicher gestalten – auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.“ In den verschiedenen Altersgruppen zeigen sich durchaus Unterschiede: Während eine Krankschreibung wegen Rückenschmerzen bei jüngeren im Durchschnitt sechs Tage dauert, sind es bei älteren 19 Tage.
Risikofaktoren für Rückenschmerzen
Nur jeder zehnte Thüringer mit Rückenschmerzen meldet sich im Job nicht krank. 90 Prozent gehen mit Schmerzen zur Arbeit. Die Wahrscheinlichkeit, sich krankzumelden steigt jedoch mit der Stärke der empfundenen Schmerzen und dem Chronifizierungsgrad. Entscheidend ist auch, ob Beschäftigte häufig in unbequemer Körperhaltung arbeiten müssen, einem hoher Termin- und Leistungsdruck ausgesetzt sind oder ihren Job freudlos erledigen. All diese Faktoren machen – genau wie eine schlechte Work-Life-Balance – eine Krankmeldung wahrscheinlicher.
Knackpunkte Lendenwirbelsäule und Nacken
Der DAK-Report zeigt, unter welchen Beschwerden Betroffene in Thüringen konkret leiden: So schmerzt bei 76 Prozent die
Lendenwirbelsäule. Etwa jeder Zweite hat Probleme mit dem Nacken (49 Prozent), 16 Prozent mit der Brustwirbelsäule. Fast jeder Dritte (31 Prozent) gibt Schmerzen an mehreren Bereichen der Wirbelsäule an. Jeder achte Rückenschmerz-Geplagte hat dabei starke bis sehr starke Schmerzen.
Mehrheit geht nicht zum Arzt
Die große Mehrheit der Thüringer versucht zunächst allein mit den Schmerzen zurechtzukommen. Nur etwa jeder vierte Betroffene (28 Prozent) war laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr wegen der Rückenbeschwerden beim Arzt. Von ihnen suchten rund 76 Prozent bei einem einzigen Mediziner Hilfe. 19 Prozent konsultierten zwei, vier Prozent drei Ärzte wegen ihrer Beschwerden. Gefragt nach der konkreten Rückenschmerz-Behandlung gaben 69 Prozent der Betroffenen an, eine Physiotherapie bekommen zu haben. Jeder Vierte erhielt Schmerzmittel, ebenso viele eine Spritze. Bildgebende Untersuchungen wie CT oder MRT kamen bei jedem Fünften zum Einsatz. Der Zusammenhang von Stress und Rückenschmerzen wurde in Thüringer Praxen hingegen nur sehr selten thematisiert (3 Prozent). „Da sich Stress und psychische Belastungen stark auf die Rückengesundheit auswirken können, sollte dieser Aspekt viel stärker bei Diagnose und Behandlung berücksichtigt werden“, fordert Kaiser.
Jeder Elfte schont sich
Insgesamt gehen Thüringer relativ gelassen mit ihren Rückenschmerzen um: 70 Prozent setzen auf Wärme in Form von Heizkissen, Bädern oder Sauna. 42 Prozent bewegen sich, beispielsweise bei einem Spaziergang. Jeder Vierte lebt erstmal normal weiter und rechnet damit, dass die Rückenschmerzen von selbst verschwinden. Das sogenannte Schonen – von Experten ausdrücklich nicht empfohlen, weil es die Schmerzen eher noch verstärkt – praktiziert aktuell noch jeder Elfte.
Neues individuelles Rücken-Coaching der DAK-Gesundheit
Als erste Reaktion auf die aktuelle Studie bietet die DAK-Gesundheit ihren Versicherten ab sofort ein neues onlinebasiertes Rücken-Coaching an. Unter dem Titel Rücken@Fit erhalten Betroffene eine
Nutzer in einen Dialog mit einem virtuellen Coach. Statt auf allgemeine Rückenübungen setzen wir auf gezielte Anleitungen und Wissensvermittlung, die genau zur jeweiligen Schmerzart und zur individuellen Lebenssituation passen. Das ist eine Weiterentwicklung der bisher üblichen Rücken-Coachings.“ Auch im Internet finden Schmerzgeplagte viele Infos und praktische Tipps rund um das Thema „Gesunder Rücken“: www.dak.de/ruecken
Anzahl der Fehltage in Thüringen insgesamt gesunken
Der Gesundheitsreport Thüringen wertet auch die Fehlzeiten der DAK-versicherten Arbeitnehmer insgesamt aus: Im Durchschnitt hatte 2017 jedes Mitglied in Thüringen 17,7 Fehltage. Das waren 0,6 Tage weniger als im Jahr davor. Der mit Abstand größte Anteil entfiel auf Muskel-Skelett-Erkrankungen. Bezogen auf 100 Versicherte verursachten sie 410 Fehltage. Auf Platz zwei kamen Atemwegserkrankungen mit 296 Tagen, auf Platz drei psychische Erkrankungen wie Depressionen mit 283 Tagen. Noch nie waren so viele DAK-versicherte Arbeitnehmer in Thüringen von psychischen Erkrankungen betroffen wie 2017. Jeder 20te hatte mindestens einmal im Jahr eine entsprechende Diagnose.
Die DAK-Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von rund 62.500 erwerbstätigen Mitgliedern der DAK-Gesundheit in Thüringen durch das IGES Institut ausgewertet.
Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport Thüringen untersucht umfassend die krankheitsbedingten Ausfalltage sowie ambulante und erstmals auch stationäre Behandlungen bei Rückenerkrankungen im Bundesland. Die Analyse der anonymisierten DAK-Daten wird ergänzt durch eine repräsentative Umfrage. Das Forsa-Institut hat dafür vom 7. bis 29. November 2017 bundesweit 5.224 erwerbstätige Frauen und Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Zentrale Ergebnisse wurden mit einer DAK-Untersuchung aus dem Jahr 2003 verglichen.
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Stefan Poetig
Pressesprecher Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
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