Hessen: Jedes vierte Kind ist chronisch krank
12. März 2019. Heuschnupfen, Asthma und Neurodermitis – in Hessen ist mehr als jedes vierte Kind körperlich chronisch krank. Sieben Prozent leiden an einer psychischen Erkrankung mit potentiell chronischem Verlauf. Das zeigt der neue Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit. Für die Studie hat die Krankenkasse Versichertendaten von rund 56.000 Kindern in Hessen ausgewertet. Demnach sind mehr als 90 Prozent aller Jungen und Mädchen wenigstens einmal im Jahr beim Arzt oder im Krankenhaus. Dabei zeigt sich auch: Bereits Schulkinder leiden vermehrt unter krankhaftem Übergewicht und Rückenschmerzen. Für die Versorgung aller Minderjährigen gibt die DAK-Gesundheit in Hessen jährlich rund 54 Millionen Euro aus.
Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universität Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation der hessischen Jungen und Mädchen umfassend untersucht. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2016 liefert erstmals systematische Analysen zum Erkrankungsgeschehen bei Kindern. „Wir leisten mit dem Report Pionierarbeit und machen uns stark für Kindergesundheit“, sagt Sötkin Geitner, Leiterin der DAK-Landesvertretung Hessen. „Wir wollen die gesundheitliche Situation von Kindern besser verstehen und sie in den Vordergrund der politischen Diskussion rücken.“
Chronische Leiden belasten die Kinder
Mehr als jedes vierte Kind ist in Hessen körperlich chronisch krank. Jungen etwas häufiger als Mädchen. Der Kinder- und Jugendreport wertet 14 verschiedene Erkrankungen aus, die potenziell einen chronischen Verlauf nehmen können. Am stärksten verbreitet sind Asthma und Neurodermitis gefolgt von Heuschnupfen und entzündlicher Darmerkrankung. „Das sind Erkrankungen, die den Alltag für Kinder und Eltern erheblich beeinträchtigen können“, betont Sötkin Geitner. Bei Asthma bronchiale führen verengte Bronchien zu rasselnder Atmung. Die Patienten leiden anfallsartig unter Husten und Luftnot. Asthma-Sprays gehören zur fünfthäufigsten Arzneimittelgruppe bei Kindern.
Schon Kinder haben Rückenschmerzen
Atemwegserkrankungen stehen insgesamt auf Platz 1 der wichtigsten Erkrankungsarten im Kindesalter. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) aller Jungen und Mädchen in Hessen leidet mindestens einmal pro Jahr unter einem grippalen Infekt oder einer akuten Bronchitis. In der Häufigkeit dahinter folgen Infektionskrankheiten, Augenerkrankungen, Hauterkrankungen und psychische Leiden. Muskel-Skelett-Probleme wie Rückenschmerzen sind ebenfalls recht verbreitet. Jedes sechste Kind hat wenigstens einmal im Jahr eine entsprechende Diagnose. Ab dem zwölften Lebensjahr ist fast ein Viertel aller Jungen und Mädchen betroffen. „Das ist alarmierend“, betont Geitner, „denn frühe Muskel-Skelett-Probleme können im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen." Ein weiteres Leiden, das mit Bewegungsarmut zusammenhängt, ist krankhaftes Übergewicht. Über alle Altersgruppen hinweg sind rund drei Prozent betroffen, im Alter zwischen neun und 13 Jahren waren es 4,5 Prozent. „Bei Schülern der Sekundarstufe I werden für solch verhaltensbezogene Krankheitsbilder die Weichen gestellt“, kommentiert Geitner die Ergebnisse.
Gesünder als im Bundesdurchschnitt
Im bundesweiten Vergleich sind hessische Kinder gesünder als Gleichaltrige anderswo. Zwar dominieren dieselben Erkrankungen wie auf Bundesebene, aber der Anteil der betroffenen Jungen und Mädchen ist häufig geringer. So haben Kinder in Hessen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt seltener Viruserkrankungen (minus 35 Prozent) und Neurodermitis (minus 13 Prozent). Auch ADHS wurde in Hessen seltener dokumentiert (minus 23 Prozent). Häufiger gab es in Hessen dagegen Allergien (plus 21 Prozent). „Mit dem Kinder- und Jugendreport liegen belastbare Zahlen zur regionalen Häufigkeit bestimmter Erkrankungen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt vor“, erklärt Julian Witte von der Universität Bielefeld als Co-Autor der Studie. „Es ist die erste kontinuierliche und erkrankungsartenübergreifende Analyse von solchen regionalen Abrechnungsdaten einer gesetzlichen Krankenkasse.“
„Unterschied zwischen Stadt und Land ist größer als gedacht“
Mehr als die Hälfte aller DAK-versicherten Minderjährigen in Hessen wachsen in ländlich geprägten Gebieten auf. Der Kinder- und Jugendreport zeigt, dass diese Jungen und Mädchen anders krank sind als Gleichaltrige aus der Stadt: Stadtkinder leiden häufiger unter Viruserkrankungen, Zahnkaries und krankhaftem Übergewicht. Landkinder haben hingegen eher eine Allergie. „Unser Report belegt, dass der Unterschied zwischen Stadt- und Landkindern in Sachen Gesundheit größer ist als gedacht“, betont Sötkin Geitner. „Allerdings kennen wir die Gründe für diese beobachteten Zusammenhänge nicht. Es kann an den Versorgungsstrukturen liegen, an der Umwelt, oder auch am Verhalten der Eltern.“ Tatsächlich zeigt der Report, dass der Bildungsstatus der Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder beeinflusst. So leiden Kinder von Eltern ohne Ausbildungsabschluss bis zu 2,8-mal häufiger unter Karies als der Nachwuchs von Akademikern.
Prävention an Schulen und Kitas ausweiten
Auf Grundlage des Reports will die DAK-Gesundheit die bestehende Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter optimieren. Außerdem wird die Krankenkasse ihre Prävention an Kitas und Schulen intensivieren. So soll die Präventionskampagne „fit4future“ mit der Cleven-Stiftung für mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Stressbewältigung ausgeweitet werden. Das Programm läuft aktuell an mehr als 100 Grund- und Förderschulen in Hessen mit etwa 22.000 Schülern und soll in diesem Jahr an weiterführenden Schulen und 2020 auch in Kitas starten.
Rund 54 Millionen Euro für Kindergesundheit
Insgesamt zahlte die DAK-Gesundheit 2016 in Hessen rund 54 Millionen Euro für Kindergesundheit. Davon gingen knapp zwei Drittel an Kliniken (36 Prozent) und niedergelassene Ärzte (26 Prozent). Arzneimittel machten fast ein Viertel aller Kosten aus, Heil- und Hilfsmittel zusammen 14 Prozent. Reha-Leistungen hatten mit etwas mehr als einem Prozent den geringsten Anteil. Umgerechnet auf alle versicherten Jungen und Mädchen zahlte die Kasse am meisten für Säuglinge. Sie benötigten in Hessen im Durchschnitt pro Kopf und Jahr 1.442 Euro.
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