Rücken! Fast drei Millionen Ausfalltage in Hessens Betrieben
Darmstadt, 24. Mai 2018. Rätsel Rücken: Trotz Prävention und zahlreicher Gesundheitskurse leiden in Hessen rund 2,3 Millionen Erwerbstätige unter Rückenschmerzen, rund 280.000 von ihnen sogar chronisch. Immer mehr gehen mit ihren Beschwerden direkt ins Krankenhaus. Seit dem Jahr 2007 stieg die Zahl der stationären Behandlungen in Hessen um 100 Prozent an. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen im Land kamen 2017 rund drei Millionen Ausfalltage wegen Rückenschmerzen zusammen. Das zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport „Rätsel Rücken – warum leiden so viele Hessen unter Schmerzen?“. Nach der Umfrage hatten 75 Prozent aller hessischen Beschäftigten im vergangenen Jahr Rückenschmerzen. Jeder Dritte hat aktuell Beschwerden.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2018 ist Rückenschmerz in Hessen die zweitwichtigste Diagnose für den Krankenstand. Laut Umfrage im Rahmen des Reports leiden knapp 280.000 erwerbstätige Patienten in Hessen sogar chronisch (neun Prozent) unter Schmerzen, die drei Monate oder länger andauern. „Das gesundheitspolitische Ziel, das Problem Rücken in den Griff zu bekommen, wurde nach den Ergebnissen unserer Studie nicht erreicht“, sagt Sötkin Geitner, Leiterin der DAK-Landesvertretung Hessen. „Die Untersuchung sollte deshalb zum Anlass genommen werden, die Angebote in den Bereichen Prävention und Versorgung in Hessen auf den Prüfstand zu stellen.“
Krankenhausfälle verdoppelt – vor allem Notfälle
Die Problematik spiegelt sich auch in der stationären Behandlung wider: Hessen hatte 2016 rund 17.400 Krankenhausfälle wegen Rückenschmerzen, eine Verdopplung seit 2007. Der DAK-Report untersucht erstmals detailliert, wie Rückenschmerzpatienten in die Klinik kommen. Fazit: 41 Prozent der Betroffenen werden als Notfall aufgenommen. Im bundesweiten Vergleich liegt die Zahl der Hessen, die wegen Rückenschmerzen ins Krankenhaus kommen, mit 315 je 100.000 Einwohnern und Jahr leicht über dem Durchschnitt (306). Um den Erwartungen der Betroffenen an die Versorgung möglichst gerecht zu werden und gleichzeitig die Notfallambulanzen der Kliniken zu entlasten, sieht die Leiterin der DAK-Landesvertretung medizinische Versorgungszentren, teilstationäre Versorgungsangebote und einen verbesserten Terminservice bei den niedergelassenen Ärzten als wichtige Lösungsansätze. „Auch Portalpraxen wie in Schleswig-Holstein können helfen, Rückenschmerzpatienten gezielter durch das System zu lotsen“, so Geitner.
Jeder 18te wegen Rücken krankgeschrieben
Für Krankschreibungen sind Rückenprobleme seit Jahren besonders relevant. Ihr Anteil an den Fehlzeiten in den Betrieben in Hessen verharrt mit zehn Prozent auf hohem Niveau. „Trotz eines verstärkten Engagements im Betrieblichen Gesundheitsmanagement gibt es keine signifikante Verbesserung“, betont Sötkin Geitner. Laut DAK-Analyse ist Rückenschmerz die zweitwichtigste Diagnose überhaupt – gleich hinter akuten Atemwegsinfektionen. Etwa jeder 18te Beschäftigte war 2017 mindestens einmal wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben. „Wir müssen dem Rückenschmerz den Kampf ansagen“, so Geitner, „und gemeinsam mit den Unternehmen das individuelle Arbeitsumfeld noch rückenfreundlicher gestalten – auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.“ In den verschiedenen Altersgruppen zeigen sich durchaus Unterschiede: Während eine Krankschreibung wegen Rückenschmerzen bei Jüngeren im Durchschnitt fünf Tage dauert, sind es bei Älteren 18 Tage.
Risikofaktoren für Krankmeldung
Die große Mehrheit meldet sich mit Rückenschmerzen nicht krank. 89 Prozent gehen mit Schmerzen zur Arbeit. Die Wahrscheinlichkeit, sich krankzumelden, steigt jedoch mit der Stärke der empfundenen Schmerzen und dem Chronifizierungsgrad. Entscheidend ist auch, ob Beschäftigte häufig in unbequemer Körperhaltung arbeiten müssen oder an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kommen. Diese Faktoren machen eine Krankmeldung wahrscheinlicher. Freude bei der Arbeit schützt hingegen vor einer Krankmeldung: Spaß im Job ist ein protektiver Faktor.
Knackpunkte Lendenwirbelsäule und Nacken
Der DAK-Report zeigt, unter welchen Beschwerden Betroffene in Hessen konkret leiden: So schmerzt bei 79 Prozent die Lendenwirbelsäule. 41 Prozent haben Probleme mit dem Nacken, 26 Prozent mit der Brustwirbelsäule. Jeder Dritte (31 Prozent) gibt Schmerzen an mehreren Bereichen der Wirbelsäule an. 13 Prozent der Rückenschmerz-Geplagten haben dabei starke bis sehr starke Schmerzen.
Mehrheit geht nicht zum Arzt
Die große Mehrheit der Hessen versucht zunächst allein mit den Schmerzen zurechtzukommen. Nur jeder vierte Betroffene (24 Prozent) war laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr wegen der Rückenbeschwerden beim Arzt. Von diesen suchten rund 77 Prozent bei einem einzigen Mediziner Hilfe. 18 Prozent konsultierten zwei, vier Prozent drei Ärzte wegen ihrer Beschwerden. Gefragt nach der konkreten Rückenschmerz-Behandlung gaben 69 Prozent der Betroffenen an, eine Physiotherapie verordnet bekommen zu haben. 34 Prozent erhielten eine Beratung, wie Schmerzen reduziert werden können. 25 Prozent erhielten Schmerzmittel, jeder Vierte bekam eine Spritze (24 Prozent). Bei jedem Fünften (20 Prozent) wurde ein CT oder ein MRT des Rückens gemacht. Der Zusammenhang von Stress und Rückenschmerzen wurde in den Praxen kaum thematisiert (drei Prozent). „Da sich Stress und psychische Belastungen stark auf die Rückengesundheit auswirken können, sollte dieser Aspekt stärker bei Diagnose und Behandlung berücksichtigt werden“, fordert Geitner.
Jeder Zehnte schont sich
Insgesamt gehen die Hessen relativ gelassen mit Rückenschmerzen um: Zwei Drittel setzen auf Wärme in Form von Heizkissen, Bädern oder Sauna. 42 Prozent bewegen sich, beispielsweise bei einem Spaziergang. 41 Prozent nehmen Schmerzmittel und fast jeder Dritte lebt erst einmal normal weiter und rechnet damit, dass die Rückenschmerzen von selbst verschwinden. Das sogenannte Schonen – von Experten ausdrücklich nicht empfohlen, weil es die Schmerzen eher noch verstärkt – praktizieren aktuell neun Prozent der Betroffenen.
Neues individuelles Rücken-Coaching der DAK-Gesundheit
Krankenstand in Hessen leicht gestiegen
Der Gesundheitsreport Hessen wertet auch die Fehlzeiten der DAK-versicherten Arbeitnehmer insgesamt aus: Im Jahr 2017 stieg der Krankenstand in Hessen im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent. Das heißt, dass an jedem Kalendertag des Jahres durchschnittlich 42 DAK-Mitglieder von 1.000 in Hessen aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig waren. Im bundesweiten Vergleich liegt Hessen damit leicht über dem Durchschnitt. Die durchschnittlichen Fehltage lagen bei 15,3 Tagen und damit um 0,3 Tage höher als im Vorjahr, Die Betroffenenquote lag bei 50 Prozent. Das heißt: Die Hälfte der hessischen Erwerbstätigen war 2017 kein einziges Mal krankgeschrieben. Der größte Anteil entfiel auf Muskel-Skelett-Beschwerden. Bezogen auf 100 Versicherte verursachten sie 339 Fehltage. Auf Platz zwei kamen Atemwegserkrankungen wie Bronchitis mit 262 Tagen, auf Platz drei die psychischen Erkrankungen wie Depressionen mit 253 Tagen. Hier gab es einen Anstieg bei den Fehltagen um sieben Prozent, aber die Anzahl der Betroffen stieg auf 5,3 Prozent. Noch nie waren so viele DAK-versicherte Arbeitnehmer in Hessen von psychischen Leiden betroffen wie 2017.
Die DAK-Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von rund 274.000 erwerbstätigen Mitgliedern der DAK-Gesundheit in Hessen durch das IGES Institut ausgewertet.
Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport Hessen untersucht umfassend die krankheitsbedingten Ausfalltage sowie ambulante und erstmals auch stationäre Behandlungen bei Rückenerkrankungen im Bundesland. Die Analyse der anonymisierten DAK-Daten wird ergänzt durch eine repräsentative Umfrage. Das Forsa-Institut hat dafür vom 7. bis 29. November 2017 bundesweit 5.224 erwerbstätige Frauen und Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt (davon 202 aus Hessen). Zentrale Ergebnisse wurden mit einer DAK-Untersuchung aus dem Jahr 2003 verglichen.
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