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AMNOG-Report 2025: Innovationsförderung und Kostendämpfung – ein Widerspruch?

AMNOG-Report 2025: Mehrere Tabletten liegen verstreut um einen Stapel Münzen herum.

„Das AMNOG entwickeln wir mit Blick auf die ‚Leitplanken‘ und auf die personalisierte Medizin weiter. Dabei ermöglichen wir den Zugang zu innovativen Therapien und Arzneien und stellen gleichzeitig eine nachhaltig tragbare Finanzierung sicher“, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD. 

Die gleichzeitige Förderung innovativer Arzneimittel und die Stärkung des Pharmastandorts stellen regulatorisch eine große Herausforderung dar. Angesichts der anhaltenden Ausgabendynamik – allein 2024 stiegen die GKV-Ausgaben für Arzneimittel um fünf Milliarden Euro (+10 %) – ist rasches Handeln notwendig. Arzneimittel zählen zu den am stärksten wachsenden Ausgabenbereichen der GKV. Diese gewährt neuen Präparaten weiterhin sofortigen Marktzugang und unterstützt so Innovationen. Fraglich bleibt jedoch, wie sich nachhaltige Innovationsförderung und wirksame Ausgabenkontrolle gleichzeitig umsetzen lassen. Die bisherigen AMNOG-Instrumente wie Leitplanken, Kombinationsabschläge und Vertraulichkeit haben sich als ineffektiv erwiesen oder das Verfahren unnötig verkompliziert. Umso wichtiger ist eine Rückkehr zu einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik – auch im Arzneimittelbereich.

Zentrale Ergebnisse des DAK AMNOG-Reports 2025

  • Arzneimittelausgaben 2024: Die Ausgaben für Arzneimittel steigen 2024 überproportional um +10,2 % – stärker als in anderen Leistungsbereichen und über dem 6-Jahres-Durchschnitt. Dem steht ein nur moderater Einnahmezuwachs der GKV von 5,7 % in 2023 zu 2024 gegenüber.
  • Entwicklung nach Arzneimittelarten: Zwischen 2019 und 2024 stiegen bei der DAK die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel um 26 %, für Generika um 11 %. Die Ausgaben für Orphan Drugs haben sich mehr als verdreifacht.
  • Konzentration der Ausgaben: 2024 entfallen 35 % der Arzneimittelausgaben auf die Top-10 % der patentgeschützten Präparate (51 patentgeschützte Arzneimittel), 11% allein auf das Top-1 % (6 Arzneimittel). Diese Konzentration nimmt stetig zu.
  • Marktdauer und Ausgabenverteilung: 15,7 % der Ausgaben für patentgeschützte Medikamente entfallen auf Neueinführungen seit 2021, 41 % auf Wirkstoffe mit 5-10 Jahren Marktpräsenz. Neue Arzneimittel führen meist zu Mehrausgaben – nicht zu einer Verdrängung.
  • AMNOG-Reform: Die Änderungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz haben das AMNOG-Verfahren verkompliziert, ohne nennenswerte Innovations- oder Ausgabenimpulse. Effektive Steuerungsinstrumente wie der erhöhte Herstellerabschlag wurden gestrichen.
  • Zukunftsperspektive: Eine stärkere Einnahmenorientierung ist notwendig. Innovationsförderung (z. B. uneingeschränkter Marktzugang) und Ausgabenbegrenzung (z. B. dynamischer Herstellerabschlag) sind kombinierbar.
     
Grafik zum AMNOG-Report 2025: Einnahmen und Ausgaben der GKV sind aus der Balance geraten.

Abbildung 1: Einnahmen und Ausgaben der GKV sind aus der Balance geraten. Kurzfristiges Handeln ist dringend erforderlich. (Quelle: AMNOG-Report 2025)

Im Jahr 2024 steigen die Arzneimittelausgaben auf 55,3 Milliarden Euro – das entspricht einem Zuwachs von 5,1 Milliarden Euro bzw. +10 % gegenüber 2023 und +34 % im Vergleich zu 2019. Haupttreiber ist der Patentmarkt mit neuen Arzneimitteln, deren Ausgaben im selben Zeitraum um 26 % zugenommen haben. Damit wachsen die Arzneimittelausgaben deutlich stärker als die Gesamtausgaben der GKV (+6,7 % gegenüber 2023, +30 % gegenüber 2019) und auch über den großen Leistungsbereichen Krankenhaus (+8,2 % bzw. +27 %) und ärztliche Behandlungen (+6,4 % bzw. +22 %). Dieser Trend zeigt sich auch langfristig. Bisher wenig beachtet wurden die Arzneimittelausgaben in Krankenhäusern, die laut aktueller Analyse inzwischen bei rund 1,5 Milliarden Euro liegen. Gleichzeitig bleiben die Beitragseinnahmen je Mitglied hinter dieser Ausgabendynamik zurück: Zwischen 2018 und 2023 stiegen die Arzneimittelausgaben im Schnitt um 5,7 % jährlich, die Einnahmen jedoch nur um 2,5 %.

Die Preis- und Ausgabenregulierung des AMNOGs ist überkomplex geworden und trägt nicht zu einer Innovationsförderung und einer wirksamen Ausgabenregulierung bei

Die Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) verfehlten weitgehend ihre Einsparziele oder führten zu Fehlanreizen:

  • AMNOG-Instrumente wirkungslos:
    • Leitplanken: Wirkung unklar, Einsparungen wohl deutlich unter den erwarteten 250-300 Mio. Euro jährlich.
    • Kombinationsabschlag: 2024 nur 22 Mio. Euro statt geplanter 185 Mio. Euro eingespart (= 12 % des Einsparziels).
    • Reduzierung Orphan-Schwelle: 8-32 Mio. Euro statt erwarteter 100 Mio. Euro (= 8 % bis 32 % des Einsparziels).
    • Rückwirkung des Erstattungsbetrages: 100 Mio. Euro in 2024, Ziel (150 Mio. Euro) noch nicht erreicht (= 67 % des Einsparziels).
  • Nur pauschale Maßnahmen wirksam: Herstellerabschlag in 2023 vorübergehend auf 12 % erhöht, brachte 1,3 Mrd. Euro statt erwarteter 1 Mrd. Euro. Eine Wiederholung ist derzeit nicht geplant.
  • Fehlanreize durch Standortverknüpfung: Ausnahmen von Preisregeln (Leitplanken, Möglichkeit für vertrauliche Erstattungsbeträge) bei Forschung in Deutschland verzerren das System.
  • Wenig erfolgreiche Preis-Mengen-Vereinbarungen: Auf die Top 1 % (6 Arzneimittel) der ausgabenstärksten Arzneimittel entfallen in 2024 fast 11 % der gesamten Arzneimittelausgaben. Darunter sind patentgeschützte Arzneimittel, welche bereits länger im Markt sind und zuletzt durch Indikationserweiterungen starke Umsatzzuwächse erfahren haben.

Der DAK AMNOG-Report zeigt erstmals, dass neue Arzneimittel häufig erst nach einigen Jahren und vielfach durch Indikationsausweitungen bedeutende Umsätze erzielen. Beispiel: Auf neue Wirkstoffe, die seit 2021 auf den Markt gekommen sind, entfielen im Jahr 2024 lediglich 15,7 % der Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel. 41 % der Ausgaben entfielen wiederum auf diejenigen Arzneimittel, die fünf bis zehn Jahre schon im Markt sind, und diese Ausgaben sind sehr konstant. Das bedeutet, dass neue Arzneimittel vielfach keine bestehenden in der Versorgung ersetzen, sondern add-on auf die bestehenden Versorgungskosten kommen. Darauf hat das AMNOG bislang keine Antwort.
 

Grafik zum AMNOG-Report 2025: Relative Ausgabenanteile patentgeschützter Arzneimittel nach Jahr des Markteintritts.

Abbildung 2: Relative Ausgabenanteile patentgeschützter Arzneimittel nach Jahr des Markteintritts (Quelle: AMNOG-Report 2025)

 

Grafik zum AMNOG-Report 2025: Absolute Ausgabenanteile patentgeschützter Arzneimittel nach Jahr des Markteintritts.

Abbildung 3: Absolute Ausgabenanteile patentgeschützter Arzneimittel nach Jahr des Markteintritts (Quelle: AMNOG-Report 2025)

Welche Handlungsoptionen diskutiert der Report?

AMNOG vereinfachen und gezielt weiterentwickeln

  • Leitplanken neu denken: Statt wiederholt Preisaufschläge auf den Therapiestandard zu verhandeln, sollten strukturelle Preissenkungen für Bestandsarzneimittel ermöglicht werden. (siehe Abb. 4)
  • Orphan Drugs uneingeschränkt bewerten: Nutzenbewertungen unabhängig vom Umsatz schaffen Transparenz und Planbarkeit, vermeiden strategisches Verhalten und ermöglichen flexiblere Preisverhandlungen (z. B. unter Einbezug von Real-World-Daten).
  • Standortförderung entkoppeln: Standortinitiativen sind industriepolitisch sinnvoll, dürfen aber nicht in die Preisbildung der GKV eingreifen.

Einnahmenorientierte Ausgabenpolitik stärken

  • Dynamisierung des Herstellerabschlags: Jährliche, regelgebundene Anpassung des Abschlags (aktuell 7 %) an die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der GKV.
  • Umsatzsteuer senken: Eine Reduzierung auf den ermäßigten Satz (7 %) oder vollständige Befreiung könnte 1,7-6,6 Mrd. Euro jährlich einsparen.
  • Preis-Mengen-Vereinbarungen weiter stärken: Hohe Ausgaben patentgeschützter Arzneimittel sind zum Teil auf Ausgabendynamiken in Folge von Indikationserweiterungen zurückzuführen. Dies sind überwiegend Arzneimittel mit belegtem Zusatznutzen. Wirksame Preis-Mengen-Vereinbarungen können jedoch dabei helfen, die Zahlungsbereitschaft und Fähigkeit der GKV besser abzubilden.
     
Grafik zum AMNOG-Report 2025: Vorschlag zur Modifikation und Vereinfachung bestehender AMNOG-Leitplanken.

Abbildung 4: Vorschlag zur Modifikation und Vereinfachung bestehender AMNOG-Leitplanken

 

Auf ein Wort

  • Porträt Andreas Storm

    Innovationsförderung und Kostendämpfung muss kein Widerspruch sein. Mit einer Vereinfachung des zuletzt komplex gewordenen AMNOG-Systems tragen wir zu mehr Transparenz und Planbarkeit bei. Dies muss andererseits ebenso für die Finanzierung der Arzneimittelkosten gelten, welche beispielsweise durch dynamische Preisabschläge an die Einnahmenentwicklung der GKV geknüpft werden sollte.

    Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit

 

Downloads: AMNOG-Report 2025

Hinweise zur Datengrundlage und zur Methodik

Grundlage der Analysen und Ergebnisse des DAK AMNOG-Reportes sind zwei Datenquellen:

  1. Abrechnungsdaten aller bei der DAK-Gesundheit versicherten Personen aus dem Zeitraum 01/2019 bis 12/2024. Für den Report von besonderem Interesse sind dabei die Apothekenabrechnungsdaten gem. § 300 SGB V. Diese Daten umfassen alle für die Versicherten der DAK-Gesundheit verschriebenen und eingelösten Arzneimittel. Abbildbar sind damit sowohl insgesamt als auch auf anonymisierter Versichertenebene alle verschriebenen Arzneimittel hinsichtlich Mengen und Kosten. Mengen werden abgebildet über Rezepte und Tagesdosen (engl. Daily defined doses, DDD). Daten zu DDDs und zum Patentstatus der analysierten Arzneimittel werden über die Stammdaten des WIdO ergänzt.
  2. Daten aus öffentlichen Statistiken zu den Rechnungsergebnissen der Gesetzlichen Krankenversicherung (KJ1, KV45) werden genutzt, um Trends im Arzneimittelmarkt mit anderen GKV-Trends zu vergleichen. Angereichert werden diese Daten mit weiteren Informationen aus der öffentlichen Statistik, darunter Informationen zur Verbraucherpreisentwicklung oder dem Bruttoinlandsprodukt.
     
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