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Sachsen-Anhalt: Jedes vierte Schulkind hat psychische Probleme

Magdeburg, 5. Dezember 2019. Mehr als ein Viertel aller Schulkinder in Sachsen-Anhalt zeigt psychische Auffälligkeiten. Knapp zwei Prozent aller Jungen und Mädchen zwischen zehn und 17 Jahren leiden an einer diagnostizierten Depression, 2,3 Prozent unter einer Angststörung. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit „Ängste und Depressionen bei Schulkindern“. Hochgerechnet sind insgesamt etwa 5.400 Schulkinder in Sachsen-Anhalt betroffen, Mädchen doppelt so häufig wie Jungen. Im Vergleich zum Bundesgebiet werden Depressionen seltener (minus 13 Prozent) und Angststörungen häufiger (plus vier Prozent) diagnostiziert. Für die Versorgung depressiver Schulkinder gibt die DAK-Gesundheit in Sachsen-Anhalt im Jahr pro Kopf durchschnittlich 3.000 Euro mehr aus als für seelisch gesunde Gleichaltrige. 

Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universität Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mädchen in Sachsen-Anhalt umfassend untersucht. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus 2016 und 2017 nimmt insbesondere die seelische Gesundheit von Jungen und Mädchen in den Fokus. „Wir wollen das Tabu brechen, das psychische Erkrankungen noch immer umgibt“, sagt Steffen Meyrich, Leiter der DAK-Landesvertretung in Sachsen-Anhalt. „Die betroffenen Kinder leiden oft leise, bevor sie sich jemandem anvertrauen und eine passende Diagnose bekommen. Wir müssen aufmerksamer werden – ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein – und nachhaltig helfen.“

Ängste und Depressionen treten auch parallel auf – Mädchen stärker betroffen
28 Prozent aller Jungen und Mädchen in Sachsen-Anhalt sind von einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstörung betroffen. Vor allem jüngere Schulkinder fallen am häufigsten durch Entwicklungsstörungen auf, zu denen Sprach- und Sprechstörungen gehören.  Auch Verhaltensstörungen, wie etwa ADHS sind verbreitet. Seltener, aber von hoher Relevanz für die Versorgung, sind affektive Störungen, zu denen auch die Depressionen gehören. 1,8 Prozent aller DAK-versicherten Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 17 Jahren sind so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen. Mädchen leiden deutlich häufiger als Jungen. Mit einer diagnostizierten Angststörung kämpfen 2,3 Prozent aller Schulkinder. Hochgerechnet auf alle Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt entspricht dies etwa 5.400 mit Angststörungen oder Depressionen. Diese Störungsbilder treten auch parallel auf: Jeder sechste Junge mit einer diagnostizierten Depression hat parallel auch eine Angststörung. Bei den Mädchen ist es fast jedes vierte. Besonders in den älteren Jahrgängen zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So haben 1,7 Prozent aller Jungen im Alter von 15 bis 17 Jahren eine diagnostizierte Depression, bei den gleichaltrigen Mädchen sind es sogar 5,6 Prozent. Ein ähnliches Bild gibt es bei den Angststörungen. Hier sind 1,5 Prozent aller Jungen im Alter von 15 bis 17 Jahren betroffen und 4,1 Prozent aller Mädchen.

Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen.

Unterschiede zwischen Stadt und Land 
In Sachsen-Anhalt lebt mehr als die Hälfte der DAK-versicherten Kinder in städtischen Gemeinden. Die Studie zeigt, dass Stadtkinder eher Diagnosen für eine psychische Erkrankung bekommen als Gleichaltrige vom Land (plus elf Prozent). Stadtkinder haben im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger Depressionen (plus 19 Prozent). Vor allem leichte sowie schwere Episoden werden für sie öfter festgestellt. „Die Gründe für die beobachteten Zusammenhänge können an den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Lebensbedingungen liegen. Für Stadtkinder existiert aber auch ein dichteres Angebotsnetz an niedergelassenen Fachärzten. Sie bekommen leichter Hilfe und damit auch eine passende Diagnose“, erklärt Steffen Meyrich. 

Chronische Krankheiten steigern Risiko für Depressionen
Der Report zeigt erstmals auf Basis von Abrechnungsdaten, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen körperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. „Wir sehen nicht selten, dass junge Patienten mit einem Typ-1-Diabetes oder einer schweren Rheumaerkrankung auch psychische Probleme entwickeln,“ berichtet Dr. Uwe Mathony, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin aus seiner Erfahrung am Städtischen Klinikum Dessau. „In der Pubertät ist ihre Situation besonders wackelig.“ Dann belastet es, wenn man vernünftig sein muss und nicht so unbekümmert leben kann, wie körperlich gesunde Gleichaltrige. Das familiäre Umfeld kann für die Entwicklung eines Seelenleidens ebenfalls ein Faktor sein: Kinder psychisch kranker Eltern sind deutlich gefährdeter (3-fach erhöhtes Depressionsrisiko), selbst eine depressive Störung zu entwickeln. „Erkrankungen der Eltern können für Kinder und Jugendliche eine große seelische Belastung sein“, so Mathony.

Versorgung depressiver Jugendlicher 
„Mit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir für Sachsen-Anhalt auch belastbare Analysen zur Versorgungssituation von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten“, erklärt Prof. Greiner von der Universität Bielefeld als Studienautor.  Jedes sechste Mädchen und etwa jeder siebte Junge im Alter zwischen 15 und 17 Jahren nimmt ein Antidepressivum ein. Positiv: Der Anteil der Betroffenen mit Rezept liegt damit 23 Prozent unter dem DAK-weiten Bundesdurchschnitt. Nahezu gleichhoch wie im Bundesdurchschnitt ist in Sachsen-Anhalt der Anteil der Jungen und Mädchen mit einer Klinikeinweisung: 7,5 Prozent der Schulkinder mit einer diagnostizierten Depression wurde 2017 stationär behandelt, durchschnittlich für 34 Tage. 

DAK-Gesundheit entwickelt neue Angebote
Die DAK-Gesundheit in Sachsen-Anhalt startet das neue integrierte Versorgungsangebot „veo“, damit Betroffene nach einer Krankenhausentlassung besser aufgefangen werden. „veo“ ermöglicht depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung. Das Programm „veo“ ist einzigartig. Es hilft Kinder- und Jugendtherapeuten, Psychiatern sowie Haus- und Fachärzten dabei, die die ambulante Nachsorge zu optimieren. Weitere wichtige altersgruppenspezifische Beteiligte wie Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendämter werden ebenfalls eingebunden. Das Ziel ist eine bessere Vernetzung und damit eine schnelle und unproblematische Hilfe für die betroffenen Kinder – ohne lange Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.  

Parallel intensiviert die DAK-Gesundheit ihre Aktivitäten im Bereich Stressprävention. Gemeinsam mit der Cleven-Stiftung hat sie mit fit4future Teens ein neues Präventionsprogramm zum Thema Stressprävention für weiterführende Schulen entwickelt. Außerdem bietet sie Kindern ab zwölf Jahren individuell an, ihre seelische Stärke mit einer neuen Software zu trainieren. „DAK Smart4me“ ist kostenfrei zugänglich und passwortgeschützt auf Smartphones und allen anderen Bildschirmgeräten nutzbar. Infos dazu gibt es unter: www.dak.de/smart4me

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Pressesprecher Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

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