Stoffwechselentgleisungen bei Diabetes: Über- und Unterzuckerung vermeiden
Hypoglykämie: Darum gefährdet ein zu niedriger Glukosewert die Gesundheit
Ergibt die Glukosemessung 65 mg/dl (3,6 mmol/l) oder weniger, liegt meist eine Hypoglykämie vor. Von dieser Regel gibt es Ausnahmen. Bei Typ 2-Diabetikern, die öfter hohe Glukosewerte haben, kann es bereits bei Werten um 120 mg/dl (6,7 mmol/l) zu den charakteristischen Symptomen einer Hypoglykämie kommen.
Bei einer Hypoglykämie steht den Gehirnzellen mangels ausreichend Glukose zu wenig Energie zur Verfügung. Eine Hypoglykämie macht daher matt und schwindelig, die Konzentrationsfähigkeit und das Hörvermögen lassen nach und die Sprache klingt verwaschen. Ohne die sofortige Zufuhr von Glukose, etwa in Form von Traubenzucker oder Apfelsaft kann eine Hypoglykämie in kurzer Zeit zur Bewusstlosigkeit führen.
Was ist was?
Hyperglykämie: sehr hoher Glukosewert (wird auch als Überzuckerung bezeichnet)
Hypoglykämie: sehr niedriger Glukosewert (wird auch als Unterzuckerung bezeichnet)
So kann es zu einer Hypoglykämie kommen
- Eine Mahlzeit fällt aus, aber die Dosis der Diabetes-Medikamente oder die injizierte Insulinmenge ist unverändert hoch.
- Vor der Mahlzeit wird Insulin gespritzt, doch danach wird lange mit dem Essen gewartet oder der Kohlenhydratgehalt überschätzt.
- Die Diabetes-Medikamente oder das Insulin werden zu hoch dosiert. Oder es wird das falsche Insulin injiziert.
- Trotz körperlicher Anstrengung werden der Kohlenhydratbedarf beziehungsweise die Menge des Insulins oder die Dosis der Diabetes-Medikamente nicht angepasst.
- Nach dem Trinken von Alkohol wird weder der Kohlenhydratbedarf noch die Dosis der Diabetes-Medikamente angepasst.
- Bei Gewichtsverlust wird der Insulinbedarf nicht dem verringerten Körpergewicht angepasst.
- Durch ein heißes Bad oder einen Saunagang gelangt das injizierte Insulin schneller in den Kreislauf.
- Das Insulin wird in den Muskel gespritzt und gelangt dadurch schneller ins Blut.
- Bei Erbrechen oder Durchfall gelangt nur ein Teil der gerade verzehrten Kohlenhydrate in den Stoffwechsel.
- Die Diabetes-Medikamente und andere Medikamente wirken zusammen und begünstigen eine Hypoglykämie.
- Durch eine Schilddrüsenunterfunktion mit erhöhter Insulinempfindlichkeit gelangt die Glukose schneller aus dem Blut in die Zellen.
Daran ist eine Hypoglykämie zu erkennen:
- Blässe und Schweißausbruch
- Schwächegefühl
- Herzrasen und Herzklopfen
- Zittern
- weite Pupillen
Alkohol erschwert das Erkennen einer Hypoglykämie
Nach dem Trinken von Alkohol und vor dem Einschlafen sollte der Glukosewert kontrolliert und bei niedrigen Werten etwas gegessen werden. Besonders gefährlich können Alkohol-Mixgetränke sein. Der süße Geschmack kann den Alkoholgehalt überdecken, sodass ihre Wirkung unterschätzt wird. Injiziert eine Diabetikerin oder ein Diabetiker zusätzlich Insulin, können sich die glukosesenkenden Wirkungen des Insulins und des Alkohols addieren.
Ohne die sofortige Zufuhr von Kohlenhydraten kommt es zu diesen Symptomen
- Angst
- Konzentrationsschwäche, verlangsamtes Denken
- Kopfschmerzen
- Gereiztheit, Aggressivität
- Sprach-, Seh- und Koordinationsstörungen
- Krampfanfälle
- Bewusstseinsstörungen
Vor allem die Frühzeichen einer Hypoglykämie sind oft schwer zu erkennen. Mal treten sie schon bei leicht, mal erst bei stark erniedrigtem Glukosespiegel auf. Das eigene Wahrnehmungsvermögen für Frühzeichen kann zudem verloren gehen, wenn der Körper häufiger Hypoglykämien durchmacht.
Für Kinder besonders gefährlich: Nächtliche Hypoglykämien
Die Zeichen einer nächtlichen Hypoglykämie können Alpträume, häufiges Erwachen, unruhiger Schlaf, morgendliche Kopfschmerzen und ein verschwitztes Bett sein. Die nachts benötigte Insulinmenge muss daher von der Ärztin oder dem Arzt besonders genau ermittelt werden.
So lässt sich einer Hypoglykämie vorbeugen
- Den Körper aufmerksam beobachten. Die Frühzeichen können sich bei jeder Diabetikerin und jedem Diabetiker anders darstellen.
- Auf den Notfall vorbereitet sein. Über die Anzeichen und die Notfallmaßnahmen bei einer Hypoglykämie sollte das ganze Umfeld informiert sein.
- Zusammen mit der Ärztin oder dem Arzt einen Aktionsplan aufstellen – und diesen stets griffbereit haben. In den Plan gehören vor allem die Frühzeichen einer Hypoglykämie und Informationen, was dann zu tun ist. Auch die Namen von Ärztinnen, Ärzten, Angehörigen und Vertrauenspersonen gehören in den Aktionsplan.
- Traubenzucker stets dabei haben. Auch nachts am Bett und unterwegs.
Das ist bei einer Hypoglykämie zu tun
- Essen, dann messen. Die Zeit zwischen den Frühzeichen und Bewusstlosigkeit kann sehr kurz sein. Das Essen oder Trinken von zwei Kohlenhydrateinheiten (KE) in Form von Traubenzucker oder zuckerhaltiger Limonade steht daher an erster Stelle.
- Gegebenenfalls Glukagon in einen Muskel oder das Unterhautfettgewebe spritzen. Dadurch gelangt die Glukose aus den körpereigenen Depots schneller ins Blut. Viele Glukagon-Sets enthalten Injektionsanleitungen. Das Injizieren von Glukagon sollte aber zusammen mit einer Ärztin oder einem Arzt geübt werden.
- Den Glukosewert stabilisieren. Etwa mit langsam wirkenden Kohlenhydraten (in Vollkornprodukten enthalten).
- Den Glukosewert messen. Ist der Wert nach zehn Minuten nicht deutlich höher, sollten zwei weitere KE verabreicht werden, am besten als Traubenzucker oder Apfelsaft.
- Bei einer Verschlechterung des Zustands sofort über die Telefonnummer 112 den Notarzt rufen!
Häufige Fragen zum DMP Diabetes
Ablauf, Maßnahmen, Teilnahme: Hier finden Sie Informationen zum strukturierten Behandlungsprogramm.
Das sollten Helfer bei einer Hypoglykämie tun
Wenn die Person bei Bewusstsein ist:
- Ruhe bewahren – sofort zwei KE in Form von Traubenzucker oder zuckerhaltiger Limonade zuführen.
- Den Glukosewert messen. Bei einer Hypoglykämie ist der Wert ≤ 65 mg/dl (3,6 mmol/l).
- Erneut zwei KE Kohlenhydrate verabreichen, wenn der Glukosewert nach zehn Minuten nicht gestiegen ist.
- Die betroffene Person wach halten. Gegebenenfalls über die Telefonnummer 112 den Notarzt rufen!
Wenn die Person bewusstlos oder benommen ist, oder einen Krampfanfall hat:
- Sofort über die Telefonnummer 112 den Notarzt rufen!
- Bewusstlosen keine Flüssigkeit oder feste Nahrung verabreichen. Es besteht Erstickungsgefahr!
- Bewusstlose in die stabile Seitenlage bringen. Die Atmung überwachen!
- Gegebenenfalls Glukagon in einen Muskel oder das Unterhautfettgewebe spritzen.
- Bei der Person bleiben, bis die Ärztin oder der Arzt eingetroffen ist.
Was bei einer Hypoglykämie noch zu tun ist
Nach einer Hypoglykämie sollten Diabetikerinnen und Diabetiker nach Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt für mindestens zwei Tage langsam wirkende Kohlenhydrate zu sich nehmen, weil der Glukosewert erneut sinken kann, solange noch Insulin im Körper wirkt. Der Glukosewert sollte jetzt öfter gemessen werden. Bei mehreren Hypoglykämien an einem Tag, kann die Ärztin oder der Arzt den anzustrebenden Glukosewert höher ansetzen und die Therapie anpassen. Ist es zuvor zu Bewusstlosigkeit gekommen, muss die Ursache gefunden und die Therapie gegebenenfalls angepasst werden.
Hyperglykämie und diabetische Ketoazidose
Die diabetische Ketoazidose ist eine lebensgefährliche Stoffwechselentgleisung, ausgelöst durch Insulinmangel. Sie zeigt sich durch hohe Glukosewert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l), Bewusstseinsstörungen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Müdigkeit und Bauchschmerzen.
Ohne Insulin gelangt die Glukose nicht zur Energiegewinnung in die Zellen. Um Energie zu gewinnen, baut der Körper nun Fettreserven ab. Die entstehenden Fettsäuren baut er zu Ketonkörpern um. Je mehr Ketonkörper entstehen, desto mehr ‚übersäuert‘ der Körper – aus der Hyperglykämie wird die diabetische Ketoazidose. Ohne Therapie kann die betroffene Person in ein lebensbedrohliches Koma fallen.
Eine schwere Hypoglykämie oder Ketose birgt das Risiko einer Wiederholung. Deshalb wird die Ärztin oder der Arzt nach der Notfalltherapie die Ursache klären und die Behandlung gegebenenfalls anpassen. Eine Ketoazidose tritt vor allem bei Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetiker auf, da ihre Bauchspeicheldrüse kaum beziehungsweise kein Insulin mehr herstellt. Für Typ-2-Diabetikerinnen und -Diabetiker ist das Risiko einer Ketoazidose geringer, da ihr Körper meist noch kleine Mengen Insulin produziert.
Das löst eine Hyperglykämie oder Ketoazidose aus
Häufige Auslöser einer Ketoazidose sind Infekte, schwere Erkrankungen, operative Eingriffe, der Verzehr großer Mengen Süßigkeiten, Alkoholabhängigkeit, Medikamente wie Kortison, hohes Alter und zu geringe Flüssigkeitsaufnahme.
Daran erkennt man eine Hyperglykämie
Eine Hyperglykämie entwickelt sich meist über mehrere Tage oder Wochen und zeigt zunehmend diese Symptome:
- stark erhöhte Urinmenge und starker Durst
- Schwächegefühl
- Sehstörungen
- Muskelkrämpfe
- Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
Ohne Therapie folgen eine auffällig trockene Haut und Schleimhäute, niedriger Blutdruck, Herzrasen und Bewusstseinstrübung.
Daran erkennt man eine Ketoazidose
- Ketonkörper im Urin (Teststreifen aus der Apotheke)
- süßlich-alkoholisch nach Azeton, gärendes Obst oder Nagellack riechende Atemluft
- Schläfrigkeit, Schwächegefühl, Teilnahmslosigkeit
- häufiges Wasserlassen und vermehrter Durst
- Bauchschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen
- tiefe Atmung
Das beugt einer Hyperglykämie und Ketoazidose vor
- Insulin richtig lagern. Insulin wird bei Minustemperaturen unwirksam; auch Temperaturen über 40 °C sind nicht ideal.
- Regelmäßig den Glukosewert messen! Vor allem bei Infektionen und Fieber kann sich der Insulinbedarf erhöhen, ebenso bei Übelkeit, Erbrechen und geringer Nahrungsaufnahme. Wichtig: Übelkeit, Erbrechen und geringe Nahrungsaufnahme können den Insulinbedarf auch senken.
- Bei sehr hohen Glukosewerten (> 250 mg/dl (13,3 mmol/l) und ungewöhnlich großen Urinmengen frühzeitig die Ärztin oder den Arzt informieren.
- Ausreichend trinken. Ideal sind Wasser und zuckerfreier Tee. Wichtig: Stets eine Flüssigkeitsreserve dabei haben.
- Diabetes-Schulungen wahrnehmen. Dort erfährt man, wie sich Stoffwechselentgleisungen vorbeugen lassen, die Frühzeichen aussehen und was im Ernstfall zu tun ist.
- Auf den Ernstfall vorbereiten. Das ganze Umfeld sollte die Anzeichen einer Hyperglykämie und die Notfallmaßnahmen kennen.
- Medikamente und Ketonkörper-Teststreifen stets griffbereit haben.
- Zusammen mit der Ärztin oder einem Arzt einen Aktionsplan aufstellen – und diesen stets griffbereit haben. In den Plan gehören vor allem die Frühzeichen einer Hyperglykämie und Informationen, was zu tun ist. Auch die Namen und Telefonnummern von Ärztinnen, Ärzten, Angehörigen und Vertrauenspersonen sollten im Aktionsplan stehen.
Eine Ketoazidose entsteht unter anderem durch
- eine defekte Insulinpumpe oder durch einen defekten Insulinkatheter,
- das Auslassen einer Insulininjektion,
- Infektionen, fieberhafte Erkrankungen, Magen-Darm-Infekte, die einen massiven Anstieg des Insulinbedarfs zur Folge haben. Wichtig: Magen-Darm-Infekte haben nicht automatisch einen höheren Insulinbedarf zur Folge,
- operative Eingriffe, für die glukosesenkende Medikamente abgesetzt, aber nicht angemessen ersetzt wurden, beziehungsweise deren Dosierung nicht angepasst wurde.
Das ist bei Anzeichen für eine Hyperglykämie oder Ketoazidose zu tun
- Den Glukosewert messen und den Ketongehalt im Urin mittels Teststreifen bestimmen.
- Bei Azeton im Urin die Ärztin oder den Arzt informieren. Gegebenenfalls die zu spritzende Insulinmenge erfragen oder die für solche Fälle besprochene Insulinmenge injizieren.
- Den Glukosewert messen. Steigt der Wert: Erneut die von der Ärztin oder dem Arzt festgelegte Insulinmenge injizieren. Viel Mineralwasser oder ungesüßten Tee trinken! Nach ein bis zwei Stunden erneut den Glukosewert messen und die Ketonkörper im Urin bestimmen.
- Steigt der Glukosewert weiter: die Ärztin, den Arzt oder über die Telefonnummer 112 den Notarzt rufen.
- Sinkt der Glukosewert: nach ein bis zwei Stunden erneut den Glukosewert messen. Sinkt der Glukosewert weiter, ab etwa 180 mg/dl (10,0 mmol/l) oder nach Anweisung der Ärztin oder des Arztes kein Insulin mehr spritzen, da es sonst zur Hypoglykämie kommen kann. Weiterhin viel trinken.
- Nach einer Ketoazidose: Umgehend zusammen mit der Ärztin oder dem Arzt die Ursachen ermitteln.
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