Vorerkrankungen: Prüfung und Anrechnung
Sind Beschäftigte arbeitsunfähig, stehen Sie als Arbeitgeber vor einigen Fragen. Wie lange muss ich das Arbeitsentgelt weiterzahlen? Sind Fristen einzuhalten? Gab es eine Vorerkrankung, die zu berücksichtigen ist? Erfahren Sie hier, was Sie beachten müssen.
Entgeltfortzahlung bei Krankheit
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung (Lohnfortzahlung) vom Arbeitgeber, wenn sie krank sind. Allerdings müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Arbeitsverhältnis besteht bereits seit vier Wochen ununterbrochen (§ 3 Abs. 3 EntgFG).
- Die betroffene Person ist arbeitsunfähig wegen einer Krankheit, einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen bzw. rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruchs.
- Die Arbeitsunfähigkeit ist die einzige Ursache für den Arbeitsausfall.
- Der oder die Beschäftigte hat die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet.
Vorerkrankungen prüfen / Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit
Bei Arbeitsunfähigkeit wegen verschiedener Krankheiten besteht für jede ein Anspruch auf 6 Wochen Fortzahlung des Gehalts. Bei erneuter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ist der Anspruch davon abhängig, ob in den 6 Monaten davor eine Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit bestand oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit 12 Monaten vergangen sind. In diesen Zeiträumen liegende Erkrankungen können Sie gegebenenfalls auf die 6 Wochen der Entgeltfortzahlung anrechnen.
Wichtig: Der Anspruch auf die 6 Wochen verlängert sich während einer andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht, wenn eine andere Krankheit hinzutritt, die für sich allein gesehen ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursacht.
6-Monats-Frist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EntgFG): War die erkrankte Person vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig, entsteht für die aktuelle Arbeitsunfähigkeit ein neuer Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung. Bestand bereits eine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, gilt für die erneute Arbeitsunfähigkeit nur dann ein Anspruch, wenn die 6 Wochen noch nicht ausgeschöpft wurden. Die von den 42 Tagen (= 6 Wochen) noch fehlenden Tage sind der Restanspruch für die Fortzahlung.
Wenn der Anspruch innerhalb der 6-Monatsfrist bereits ausgeschöpft ist, kann trotzdem ein neuer Anspruch bestehen – wenn die 12-Monats-Frist erfüllt ist.
12-Monats-Frist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EntgFG): Ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung innerhalb der 6-Monats-Frist ausgeschöpft, müssen Sie die vergangenen 12 Monate genauer auf Vorerkrankungen betrachten. Wenn zwischen dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit und dem Wiedereintritt 12 Monate liegen, besteht grundsätzlich erneut Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 6 Wochen.
Eine neue 12-Monats-Frist beginnt immer dann, wenn bei Wiedereintritt derselben Erkrankung ein voller sechswöchiger Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.
Wichtig: Hat die betroffene Person wegen Vorerkrankungszeiten keinen Anspruch mehr auf die Entgeltfortzahlung und endet die 12-Monats-Frist während dieser Arbeitsunfähigkeit, beginnt damit nicht sofort ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Erst mit Eintritt der nächsten Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Erkrankung, beginnt der neue Anspruch. Der Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit muss also außerhalb der 12-Monats-Frist liegen.
Die AU ist jetzt eine eAU
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rufen Sie seit 1.1.2023 auf elektronischem Wege direkt bei der Krankenkasse Ihrer Mitarbeitenden ab, sobald sich diese krankmelden. Eine separate Bescheinigung müssen die erkrankten Personen nicht mehr abgeben. Hier erfahren Sie mehr über die eAU.
Vorerkrankungen bei der Krankenkasse abfragen
Wenn Sie vermuten, dass eventuell bereits eine anrechenbare Vorerkrankung, also eine AU für dieselbe Erkrankung vorliegt, können Sie sich für eine Prüfung an die Krankenkasse der erkrankten Person wenden.
Für die Überprüfung von Vorerkrankungen durch die Krankenkasse müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- der Arbeitgeber muss Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit haben
- die aktuelle Arbeitsunfähigkeit und die Arbeitsunfähigkeitszeiten der zu prüfenden möglichen Vorerkrankungen müssen mindestens 30 Krankheitstage umfassen
Anfragen zur Anrechnung von Vorerkrankungen dürfen Krankenkassen aus Datenschutzgründen nur in elektronischer Form beantworten. Eine telefonische oder schriftliche Anfrage ist grundsätzlich nicht möglich. Stellen Sie Ihre Anfrage daher immer im Rahmen des Datenaustausch Entgeltersatzleistungen (DTA EEL).
Dabei geben Sie neben den Arbeitnehmerdaten folgende Informationen in das von Ihnen genutzte zugelassene Entgeltabrechnungsprogramm oder SV-Meldeportal:
- Daten der aktuellen Arbeitsunfähigkeit
- Daten der Vorerkrankungen
Für die Abfrage von Vorerkrankungen nutzen Sie den „ABGABEGRUND = 41“, den sie unter „Formulare - Entgeltbescheinigung - Anforderung Vorerkrankungsmitteilungen“ finden.
Wie erhalte ich Auskunft über Vorerkrankungen?
Auch das Ergebnis Ihrer Anfrage erhalten Sie von der Krankenkasse elektronisch über DTA EEL zurück. Der an Sie übermittelte Datensatz enthält keine Diagnosen oder Auskünfte über die Erkrankung der Person, aber die Information, ob die Vorerkrankung gar nicht, zum Teil oder ganz auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung angerechnet werden kann. Auf Basis dieser Angaben können Sie die Dauer der Entgeltfortzahlung anpassen.
So prüft die Krankenkasse anrechenbare Vorerkrankungen
Für die Prüfung der Vorerkrankungen müssen der Krankenkasse zunächst alle relevanten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegen. Sollte die erkrankte Person in der Vergangenheit die Krankenkasse gewechselt haben, ist die neue Krankenkasse berechtigt, auch Diagnosedaten und Daten zu Arbeitsunfähigkeitszeiten der vergangenen drei Jahre von der alten Krankenkasse abzufragen.
Entscheidend bei der Prüfung sind nicht nur die Diagnosen der Arbeitsunfähigkeitszeiten, sondern auch die angegebene Grunderkrankung. Rückenschmerzen nach einer Verletzung und stressbedingte Rückenschmerzen können zum Beispiel nicht aufeinander angerechnet werden.
Falls nötig, werden zur Entscheidungsfindung auch die behandelnden Ärzte oder der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einbezogen.