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Behandlungen psychischer Erkrankungen bei Jugendlichen in Schleswig-Holstein gehen zurück

Kiel, 15. November 2023. Die Behandlungszahlen psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein gehen zurück. 2022 wurden 18 Prozent weniger Mädchen mit einer psychischen Erkrankung in der Arztpraxis oder im Krankenhaus versorgt als im Vorjahr. Bei den Jungen steht ein Minus von zwölf Prozent. Auch im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 sanken die Behandlungszahlen gegen den Bundestrend. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Die Daten zeigen, dass weiterhin jugendliche Mädchen am stärksten von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen betroffen sind. Hier sind in Schleswig-Holstein steigende Zahlen zu verzeichnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung bei jugendlichen Mädchen geben Experten keine Entwarnung. DAK-Landeschef Lubinski fordert mehr Präventionsinitiativen zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports für Schleswig-Holstein untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 44.800 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von ambulanten und stationären Behandlungen für das vergangene Jahr.

„Die aktuellen Ergebnisse zur psychischen Gesundheit jugendlicher Mädchen sind besorgniserregend. Das Leiden verfestigt sich“, sagt Cord-Eric Lubinski, Landeschef der DAK-Gesundheit in Schleswig-Holstein. „Wir dürfen an der psychischen Gesundheit unserer Kinder nicht sparen. Wir müssen aktiver werden. Wir brauchen mehr Präventionsinitiativen in Schulen, Vereinen und der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Denn es geht um die Zukunft unserer Kinder.“

Rückläufige Behandlungszahlen bei psychischen Erkrankungen
Die DAK-Auswertung für Schleswig-Holstein zeigt, dass die Behandlungszahlen bei psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen 2022 im Vergleich zu 2021 insgesamt rückläufig sind. So erhielten 2022 18 Prozent weniger jugendliche Mädchen eine Neu-Diagnose in diesem Bereich als 2021. Bei Jungen steht ein Minus von zwölf Prozent. Mit Blick auf die Situation vor der Corona-Pandemie lagen die Behandlungszahlen bei jugendlichen Mädchen im vergangenen Jahr weiterhin auf einem hohen Niveau. Insgesamt wurde 2022 bei rund 4.000 jugendlichen Mädchen eine psychische Erkrankung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert.

„Die aktuell von der DAK-Gesundheit vorgelegten Daten geben weiterhin Anlass zur Sorge. Es gibt keine Entwarnung“, so Dr. Ralf van Heek, Kinderarzt und Vorsitzender des Berufsverbandes Kinder- und Jugendärzte in Schleswig-Holstein. „Die Auswertung der Zahl der stationären und ambulanten Behandlungen wegen psychischer Erkrankungen zeigt insgesamt eine Abnahme, insbesondere bei Jungen in 2022 gegenüber 2019. Der Rückgang in Schleswig-Holstein könnte unter anderem an einer Unterdiagnostik oder an einer Unterversorgung liegen. Nach Überwindung einer Krise kommt es regulär zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit. Allerdings fiel diese Verbesserungsphase im Jahr 2022 viel geringer aus als zu erwarten war. Die Wissenschaft führt dies auf die Klimakrise und Kriege zurück. Kinder und Jugendliche sind in ihrer Abhängigkeit von Erwachsenen und aufgrund der zu erfüllenden Entwicklungsaufgaben besonders vulnerabel und unterliegen in den verschiedenen Entwicklungsstufen unspezifischen und spezifischen Gesundheitsrisiken.  Gesellschaftliche Veränderungen, die den Eltern hohe Anpassungsaufgaben stellen, wirken auch auf ihre Kinder. Armut und Existenzängste der Eltern bedrohen die psycho-soziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Die großen Krisen von Klimawandel über Pandemie bis Krieg lassen eine massive Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit junger Menschen befürchten.“ In den zurückliegenden Jahren der Pandemie seien zudem die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen durch massive Beschränkungen ihres sozialen und kulturellen Lebens gestört und darüber hinaus vorsätzlich Ängste und Schuldgefühle geschürt worden. „Primäre und sekundäre Prävention, Stärkung der Resilienz in einer anhaltenden Krisenzeit sind gesellschaftliche Aufgaben, die wir den Kindern schulden,“ so van Heek.

Jugendliche Mädchen in Schleswig-Holstein leiden besonders
Die aktuelle Analyse des Kinder- und Jugendreport belegt, dass vor allem jugendliche Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren mit Depressionen, Angststörungen und Essstörungen in ärztlicher Behandlung sind. Zwar ging die Neuerkrankungsrate bei Depressionen 2022 um 23 Prozent im Vergleich zu 2021 zurück. Doch im Vergleich mit 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, steht ein Plus von elf Prozent. Bei Ängsten und Essstörungen sind die Trends noch ausgeprägter. Im Vergleich zu 2021 erkrankten rund 14 Prozent weniger jugendliche Mädchen 2022 neu an Angststörungen – im Vergleich zu 2019 waren es aber 44 Prozent mehr. Bei Essstörungen gingen 2022 die Neuerkrankungen im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Mit Blick auf 2019 stiegen die Zahlen aber um mehr als das Doppelte (107 Prozent) an.

Depressionen: Unterschiede zwischen Arm und Reich
Der DAK-Kinder- und Jugendreport macht deutlich, dass Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen Schichten ärztliche Behandlungen unterschiedlich stark in Anspruch nehmen. Das zeigt das Beispiel Depressionen. Hier gibt es deutlich unterschiedliche Entwicklungen zwischen jugendlichen Mädchen aus Familien mit hohem und niedrigem sozialem Status. Während die Inanspruchnahme bei sozial benachteiligten Mädchen 2022 wieder nahezu auf dem Vor-Pandemieniveau lag, ist sie bei Teenagern aus mittleren und hohen Schichten stark angestiegen. So erhielten 15 Prozent mehr jugendliche Mädchen aus der Mittelschicht die Diagnose Depressionen als vor der Pandemie. Bei Mädchen aus hohen sozialen Schichten gab es ein Plus von zwölf Prozent. 

Jungen seltener in Behandlung als Mädchen
Die DAK-Analyse verdeutlicht, dass Jungen im Jugendalter seltener aufgrund von psychischen Erkrankungen oder Verhaltensstörungen behandelt werden. So erhielten in Schleswig-Holstein 2022 17 Prozent weniger 15- bis 17-jährigen Jungen eine Neudiagnose in diesem Bereich als im Vor-Pandemie-Jahr 2019. Bei jugendlichen Mädchen steht hingegen insgesamt nur ein Minus von vier Prozent. 

„Während Jungen bei psychischen Belastungssituationen eher externalisierend reagieren, das heißt Sozialverhaltensstörungen wie Aggressivität, Impulsivität und oppositionelles Verhalten zeigen, neigen Mädchen eher zu internalisierenden Störungen wie Rückzug, Angst bis hin zu depressiven Verstimmungen und Essstörungen“, so van Heek. „Externalisierende Störungen werden oft nicht als psychische Störungen diagnostiziert, sondern als Sozialverhaltensstörungen z.B. im schulischen Kontext gesehen. Sie sind möglicherweise unterdiagnostiziert.“

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten, davon rund 260.00 in Schleswig-Holstein, die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

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