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Psychische Erkrankungen bei jugendlichen Mädchen im Saarland bleiben auf hohem Niveau

Saarbrücken, 14. Dezember 2023. Psychische Erkrankungen von jugendlichen Mädchen im Saarland stabilisieren sich auf einem hohen Niveau. Nach Anstiegen seit der Corona-Pandemie gab es 2022 im Vergleich zu 2021 leichte Rückgänge in den ambulanten und stationären Behandlungszahlen. Trotzdem ist die Inanspruchnahme bei jugendlichen Mädchen nahezu genauso hoch wie vor der Corona-Pandemie. Gleichzeitig zeigt sich ein Gender Gap: So sind die Neudiagnoserate bei jugendlichen Jungen deutlich rückläufig. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des saarländischen Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Die Daten zeigen, dass weiterhin jugendliche Mädchen am stärksten von Depressionen und Angststörungen betroffen sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse geben Experten keine Entwarnung. DAK-Landeschef Jürgen Günther fordert mehr Präventionsinitiativen zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des saarländischen Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 9.700 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit im Saarland versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von ambulanten und stationären Behandlungen für das vergangene Jahr.

„Die aktuellen Ergebnisse sind besorgniserregend. Leichte Rückgänge bei jugendlichen Mädchen bedeuten nicht, dass jetzt alles wieder in Ordnung ist. Im Gegenteil: Das Leiden vieler Teenagerinnen verfestigt sich“, sagt Jürgen Günther, Landeschef der DAK-Gesundheit im Saarland.  „Vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltsplanungen droht vielen präventiven und pädagogischen Angeboten der Rotstift. Umso erfreulicher ist es, dass das Projekt der Mental Health Coaches an Schulen in diesem Herbst gestartet ist. Wichtig ist: Wir dürfen an der psychischen Gesundheit unserer Kinder nicht sparen. Wir müssen aktiver werden. Wir brauchen mehr Präventionsinitiativen in Schulen, Vereinen und der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Denn es geht um die Zukunft unserer Kinder.“

Mediziner geben „keine Entwarnung“
„Die aktuellen Daten geben weiterhin Anlass zu Sorge“, sagt Prof. Dr. med. Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité. „Wir sehen eine Stabilisierung der Neuerkrankungsraten bei psychischen Erkrankungen auf einem hohen Niveau. Von einer Normalisierung der Lage kann keine Rede sein. Es gibt keine Entwarnung. Auch wenn die Zahlen rückläufig sind: Wir befinden uns immer noch in einer Mental-Health-Pandemie. Und jugendliche Mädchen tragen die sichtbar größte Last.“

„Die Ergebnisse sind sehr beunruhigend“, so Dr. Thomas Fischbach, ehemaliger Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ). „Dass die Neuerkrankungsraten leicht sinken, ist kein Grund für eine Entwarnung, da die Prävalenzen gegenüber 2019 immer noch sehr hoch sind. Insbesondere die zunehmende Komorbidität bei Depressionen und Angststörungen sowie der signifikante Trend zur Chronifizierung sorgen mich, denn dies lässt die Hoffnung schwinden, dass die Probleme zumindest in absehbarer Zeit von selbst wieder verschwinden werden. Die Politik sollte sich diese Erkenntnisse für die Zukunft zu Herzen nehmen, damit im Falle eines ähnlichen Geschehens nicht erneut die gleichen Fehler begangen werden. Großen Handlungsbedarf sehe ich bei Hilfsangeboten für psychisch kranke Jugendliche – damit meine ich nicht nur die medizinische Versorgung, sondern auch beispielsweise pädagogische Maßnahmen.“

Gender Gap: Unterschiedliche Entwicklungen bei Mädchen und Jungen
Die DAK-Auswertung zeigt, dass Mädchen und Jungen im Saarland unterschiedlich stark psychisch belastet sind. Im Jugendalter ist dieser Gender Gap besonders ausgeprägt: So sind die Behandlungszahlen bei jugendlichen psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen 2022 im Saarland im Vergleich zu 2021 insgesamt leicht rückläufig. 2022 erhielten zwei Prozent weniger jugendliche Mädchen eine Neu-Diagnose in diesem Bereich als 2021. Mit Blick auf die Situation vor der Corona-Pandemie lagen die Behandlungszahlen im vergangenen Jahr weiterhin auf einem hohen Niveau. Hier gab es 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 lediglich ein leichtes Minus von einem Prozent. Insgesamt wurde 2022 bei rund 1.300 jugendlichen Mädchen aus dem Saarland eine psychische Erkrankung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert.

Die Entwicklung bei jugendlichen Jungen zeigt eine andere Tendenz. 2022 wurden über ein Drittel weniger Teenager mit psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen in saarländischen Krankenhäusern oder Arztpraxen versorgt (minus 36 Prozent). Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 steht ein Minus von 19 Prozent.

„Während Jungen bei psychischen Belastungssituationen eher externalisierend reagieren, das heißt Sozialverhaltensstörungen wie Aggressivität, Impulsivität und oppositionelles Verhalten zeigen, neigen Mädchen eher zu internalisierenden Störungen wie Rückzug, Angst bis hin zu depressiven Verstimmungen und Essstörungen“, so Fischbach. „Externalisierende Störungen werden oft nicht als psychische Störungen gewertet, sondern als Sozialverhaltensstörungen. Sie sind somit wahrscheinlich unterdiagnostiziert.“

„Zudem besteht die Sorge, dass Jungen eventuell bei psychischen Belastungen mehr auf substanzgebundene und nicht-substanzgebundene Suchtmittel, wie Gaming, zurückgreifen. Das gilt es weiter zu beobachten“, sagt Correll.

Depressionen und Ängste: Jugendliche Mädchen leiden besonders
Die aktuelle Analyse des Kinder- und Jugendreport für das Saarland belegt, dass vor allem jugendliche Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren mit Depressionen und Angststörungen in ärztlicher Behandlung sind. Die Neuerkrankungsrate bei Depressionen stieg 2022 um starke 56 Prozent im Vergleich zu 2021. Auch im Vergleich mit 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, steht ein Plus von elf Prozent. Bei Ängsten sind die Trends im Saarland auch ausgeprägt. Im Vergleich zu 2021 erkrankten rund 44 Prozent mehr jugendliche Mädchen 2022 neu an Angststörungen – im Vergleich zu 2019 waren es immerhin noch 17 Prozent mehr.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse im Saarland rund 70.000 Menschen versichert.

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