Mehr als jedes vierte Kind in NRW chronisch krank
06. Februar 2019. Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen – in Nordrhein-Westfalen ist mehr als jedes vierte Kind körperlich chronisch krank. Zwischen Stadt- und Landkindern gibt es große Unterschiede. Das zeigt der neue Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit, für den die Krankenkasse Versichertendaten von rund 110.000 Kindern in Nordrhein-Westfalen ausgewertet hat. Laut Studie sind 90 Prozent aller Jungen und Mädchen wenigstens einmal im Jahr beim Arzt oder im Krankenhaus. Und dabei zeigt sich: Bereits Schulkinder leiden vermehrt unter krankhaftem Übergewicht und Rückenschmerzen. Für die Versorgung aller Minderjährigen in Nordrhein-Westfalen gibt die Kasse im Jahr rund 100 Millionen Euro aus.
Im Auftrag der DAK-Gesundheit untersuchte die Universität Bielefeld umfassend die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2016 liefert erstmals systematische Analysen zum Erkrankungsgeschehen bei Kindern. „Wir leisten mit dem Report Pionierarbeit und machen uns stark für Kindergesundheit“, sagt Klaus Overdiek, Leiter der DAK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen. „Wir wollen die gesundheitliche Situation von Kindern besser verstehen und sie in den Vordergrund der politischen Diskussion rücken.“
Chronische Leiden belasten die Kinder
In Nordrhein-Westfalen ist mehr als jedes vierte Kind körperlich chronisch krank. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Der Kinder- und Jugendreport wertet 14 verschiedene Erkrankungen aus, die potenziell einen chronischen Verlauf nehmen können. Am häufigsten sind Neurodermitis und Asthma gefolgt von Heuschnupfen und entzündlicher Darmerkrankung. „Das sind Erkrankungen, die den Alltag für Kinder und Eltern erheblich beeinträchtigen können“, betont Klaus Overdiek. In NRW kommen sie häufiger vor als im Bundesdurchschnitt. Das liegt vor allem an Heuschnupfen (plus 17 Prozent) und Asthma (plus 14 Prozent). Bei Asthma bronchiale führen verengte Bronchien zu rasselnder Atmung. Die Patienten leiden anfallsartig unter Husten und Luftnot. Mehr als 250 DAK-versicherte Kinder in Nordrhein-Westfalen mussten 2016 wegen eines Asthmaanfalls ins Krankenhaus. Asthma-Sprays gehören hier zur fünfthäufigsten Arzneimittelgruppe bei Kindern.
Schon Kinder haben Rückenschmerzen
Atemwegserkrankungen stehen insgesamt auf Platz 1 der häufigsten Erkrankungsarten im Kindesalter. Mehr als die Hälfte (59 Prozent) aller Jungen und Mädchen in NRW leidet mindestens einmal pro Jahr unter einem grippalen Infekt oder einer akuten Bronchitis. In der Häufigkeit dahinter folgen Infektionskrankheiten, Augenerkrankungen, psychische Leiden und Hauterkrankungen. Muskel-Skelett-Probleme wie Rückenschmerzen sind ebenfalls recht häufig. Fast jedes sechste Kind hat wenigstens einmal im Jahr eine entsprechende Diagnose. Ab dem zwölften Lebensjahr ist knapp ein Viertel aller Jungen und Mädchen betroffen. „Das ist alarmierend“, betont Overdiek, „denn frühe Muskel-Skelett-Probleme können im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen." Ein weiteres Leiden, das mit Bewegungsarmut zusammenhängt, ist krankhaftes Übergewicht. Über alle Altersgruppen hinweg sind knapp vier Prozent betroffen, im Alter zwischen neun und 13 Jahren sechs Prozent. „Bei Schülern der Sekundarstufe I werden für solch verhaltensbezogene Krankheitsbilder die Weichen gestellt“, kommentiert Overdiek die Ergebnisse.
Kränker als im Bundesdurchschnitt
Kinder in Nordrhein-Westfalen sind vergleichsweise kränker als im Bundesdurchschnitt. Zwar dominieren dieselben Erkrankungen wie auf Bundesebene, aber der Anteil der betroffenen Kinder ist vielfach höher. „Mit dem Kinder- und Jugendreport liegen nun belastbare Analysen zur regionalen Häufigkeit bestimmter Erkrankungen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt vor“, erklärt Julian Witte, Autor der Studie bei der Universität Bielefeld. „Die Untersuchung im Auftrag der DAK-Gesundheit ist die erste kontinuierliche und erkrankungsartenübergreifende Analyse von solchen regionalen Abrechnungsdaten einer gesetzlichen Krankenkasse.“
„Unterschied zwischen Stadt und Land ist größer als gedacht“
Das höhere Krankheitsniveau in NRW ist vor allem durch den hohen Anteil an Stadtkindern bedingt. Acht von zehn Kindern leben in städtisch geprägten Gebieten. Sie sind anders krank als Gleichaltrige vom Land: Sie leiden häufiger unter extremem Übergewicht (plus 88 Prozent) und sind stärker von Zahnkaries und einer Viruserkrankung der Atemwege betroffen (jeweils plus ein Drittel). Landkinder hingegen haben häufiger eine Neurodermitis (plus fünf Prozent). „Unser Report belegt, dass der Unterschied zwischen Stadt- und Landkindern in Sachen Gesundheit viel größer ist als gedacht“, betont Klaus Overdiek. Das dokumentieren auch die Leistungsausgaben: Für Arzneimittel und Arztbesuche zahlt die DAK-Gesundheit bei Stadtkindern mehr Geld. „Am höchsten ist die Differenz im Arzneimittelbereich: Wir haben hier 2016 durchschnittlich für jedes Landkind 155 Euro ausgegeben, für jedes Stadtkind 197 Euro, also gut ein Viertel mehr.“ Stadtkinder bekommen deutlich mehr Medikamente zur Behandlung von Atemwegserkrankungen, zum Beispiel Hals- und Rachentherapeutika (plus 17 Prozent) sowie Schnupfenmittel (plus 13 Prozent). Nur bei den Hilfsmitteln liegen die Ausgaben für Kinder in ländlichen Gebieten um ein Fünftel höher. Der Grund: Landkinder bekommen häufiger eine Brille.
Mehr als 100 Millionen Euro für Kinder und Jugendliche
Insgesamt gab die DAK-Gesundheit in Nordrhein-Westfalen 2016 rund 101 Millionen Euro für die Behandlung von Kindern aus. Umgerechnet pro Kind waren das durchschnittlich 927 Euro. Davon ging über die Hälfte an Kliniken (34 Prozent) und niedergelassene Ärzte (28 Prozent). Arzneimittel machten etwa ein Fünftel aller Kosten aus, Heil- und Hilfsmittel zusammen 15 Prozent. Reha-Leistungen hatten mit zwei Prozent den geringsten Anteil. Umgerechnet auf alle versicherten Jungen und Mädchen zahlte die Kasse am meisten für Säuglinge. Sie benötigten in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt pro Kopf und Jahr rund 1.850 Euro.
Prävention an Schulen und Kitas ausweiten
Auf Grundlage des Reports will die DAK-Gesundheit die bestehende Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter optimieren. Außerdem wird die Krankenkasse ihre Prävention an Kitas und Schulen intensivieren. So soll die Präventionskampagne „fit4future“ mit der Cleven-Stiftung für mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Stressbewältigung ausgeweitet werden. Das Programm läuft aktuell an mehr als 550 Grund- und Förderschulen in Nordrhein-Westfalen mit rund 112.000 Schülern und soll in diesem Jahr an weiterführenden Schulen und 2020 auch in Kitas starten.
Die DAK-Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von 108.512 minderjährigen Versicherten der DAK-Gesundheit in Nordrhein-Westfalen durch die Universität Bielefeld ausgewertet. Infos zu allen Angeboten, die die Krankenkasse speziell für Kindergesundheit bereithält, unter: www.dak.de/kinder