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Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen in Hessen bleiben auf hohem Niveau

Frankfurt, 07. Dezember 2023. Psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Hessen stabilisieren sich auf hohem Niveau. Vor allem Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren sind von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen betroffen. Erstmals seit der Corona-Pandemie gab es 2022 zwar leichte Rückgänge der ambulanten und stationären Behandlungszahlen insgesamt. Es mussten aber noch deutlich mehr jugendliche Mädchen in ärztliche Behandlung als vor der Corona-Pandemie. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit für Hessen. Die Daten zeigen auch, dass vor allem Mädchen aus besser gestellten Familien häufiger in Behandlung sind als Teenager aus sozial schwächeren Schichten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse geben Experten keine Entwarnung. DAK-Chefin Dalhoff fordert mehr Präventionsinitiativen zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des hessischen Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 87.200 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Hessen versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von ambulanten und stationären Behandlungen für das vergangene Jahr.

„Die Ergebnisse sind immer noch besorgniserregend, auch wenn leichte Rückgänge zu verzeichnen sind. Vielen Kindern- und Jugendlichen in Hessen geht es nicht gut. Wir müssen die Gesundheit unserer Kinder in den Fokus rücken und Präventionsangebote weiter ausbauen. Die Familien müssen unterstützt und aktiv begleitet werden“, sagt Britta Dalhoff, Leiterin der hessischen Landesvertretung der DAK-Gesundheit. 

Stabilisierung der Behandlungszahlen auf hohem Niveau
Die DAK-Auswertung zeigt, dass die Behandlungszahlen bei psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen 2022 in Hessen im Vergleich zu 2021 insgesamt leicht rückläufig sind. So erhielten 2022 vier Prozent weniger jugendliche Mädchen eine Neu-Diagnose in diesem Bereich als 2021. Bei Jungen steht ebenfalls ein Minus von vier Prozent. Mit Blick auf die Situation vor der Corona-Pandemie lagen die Behandlungszahlen im vergangenen Jahr weiterhin auf einem hohen Niveau – insbesondere bei jugendlichen Mädchen. Hier gab es 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein Plus von 17 Prozent. Insgesamt wurde 2022 bei rund 8.500 jugendlichen Mädchen aus Hessen eine psychische Erkrankung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert.

„Die aktuelle Lage ist beunruhigend“, so Dr. Ralf Moebus, Kinderarzt und Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) Hessen. „Wir sehen viele Kinder und Jugendliche, die in Sorge um ihre eigene Zukunft sind. Drängendes Thema ist der Klimawandel mit all seinen Auswirkungen in der Zukunft, insbesondere bei Jugendlichen aus Bildungsbürgerschichten. Aber auch die Kriege, politische Krisen und Zukunftssorgen in den Familien tragen erheblich dazu bei, dass Jugendliche Ängste und Depressionen entwickeln. Die Eltern sind selbst stark belastet und haben nur geringe Ressourcen, die Sorgen und Nöte ihrer Kinder aufzufangen.“

Jugendliche Mädchen leiden besonders
Die aktuelle Analyse des Kinder- und Jugendreport für Hessen belegt, dass vor allem jugendliche Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren mit Depressionen, Angststörungen und Essstörungen in ärztlicher Behandlung sind. Zwar stieg die Neuerkrankungsrate bei Depressionen 2022 nur leicht um zwei Prozent im Vergleich zu 2021. Doch im Vergleich mit 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, steht ein Plus von 48 Prozent. Bei Ängsten und Essstörungen sind die Trends in Hessen noch ausgeprägter. Im Vergleich zu 2021 erkrankten rund 16 Prozent mehr jugendliche Mädchen 2022 neu an Angststörungen – im Vergleich zu 2019 waren es aber 73 Prozent mehr. Bei Essstörungen gingen 2022 die Neuerkrankungen im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zurück. Mit Blick auf 2019 stiegen die Zahlen aber um 47 Prozent an.

Jungen seltener in Behandlung als Mädchen
Die hessische DAK-Analyse verdeutlicht, dass Jungen im Jugendalter seltener aufgrund von psychischen Erkrankungen oder Verhaltensstörungen behandelt werden. So erhielten 2022 zehn Prozent weniger 15- bis 17-jährigen Jungen eine Neudiagnose in diesem Bereich als im Vor-Pandemie-Jahr 2019. Bei jugendlichen Mädchen in Hessen steht hingegen insgesamt ein Plus von 17 Prozent. 

„Wir müssen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, insbesondere die Jungen ziehen sich eher zurück, sie suchen unsere Praxen ohnehin viel seltener auf als Mädchen. Während Jungs eher zu externalisierenden psychiatrischen Erkrankungen neigen oder sich auch zunehmend häufiger in Onlinewelten verlieren, sind Mädchen von internalisierenden Erkrankungen wie Ängsten, Zwangsgedanken und Essstörungen betroffen. Externalisierende Erkrankungen werden aber häufig nicht als psychische Erkrankung diagnostiziert, sondern als auffälliges Sozialverhalten wahrgenommen“, so Dr. Moebus.

Depressionen: Unterschiede zwischen Arm und Reich
Der hessische DAK-Kinder- und Jugendreport macht deutlich, dass Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen Schichten ärztliche Behandlungen unterschiedlich stark in Anspruch nehmen. Das zeigt das Beispiel Depressionen. Hier gibt es deutlich unterschiedliche Entwicklungen zwischen jugendlichen Mädchen aus Familien mit hohem und niedrigem sozialem Status. Während die Inanspruchnahme bei sozial benachteiligten Mädchen 2022 mit einem Plus von neun Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie nur moderat angestiegen ist, hat sie bei Teenagern aus mittleren und hohen Schichten stark zugenommen. So erhielten in Hessen 56 Prozent mehr jugendliche Mädchen aus der Mittelschicht die Diagnose Depressionen als vor der Pandemie. Bei Mädchen aus hohen sozialen Schichten gab es ein Plus von 36 Prozent. 

„Das sehe ich so in meiner eigenen Praxis. Während in sozioökonomisch benachteiligten Familien die Jugendlichen mit ihren Sorgen und Erkrankungen weniger Beachtung finden, suchen Eltern aus sozioökonomisch stabilen Verhältnissen eher ärztlichen Rat. Bei Kindern, die in Armut aufwachsen, sind die Ressourcen der Familien schneller erschöpft“, so Dr. Moebus. Zudem zeigten Jugendliche aus Familien mit hohem Bildungsstand eher eine erhöhte Vulnerabilität und nähmen Belastungen differenzierter und besonders bedrohlich wahr.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Hessen rund 610.000 Menschen versichert.

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