DAK-Gesundheit fordert einnahmenorientierte Ausgabenpolitik in der Arzneimittelversorgung

Hamburg, 13. Mai 2025. Angesichts des ungebremsten Ausgabenanstiegs fordert die DAK-Gesundheit eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik in der Arzneimittelversorgung. Innerhalb von fünf Jahren sind die Ausgaben in diesem Bereich in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um 34 Prozent gestiegen. Zurückzuführen ist dies vor allem auf den Kostenzuwachs im Patentmarkt. Das zeigt der neueste AMNOG-Report der DAK-Gesundheit. Demnach bleiben die Beitragseinnahmen weit hinter dem Ausgabenanstieg für Arzneimittel zurück. Neben der Analyse des Ist-Zustands fokussiert sich der diesjährige Report auf Lösungsansätze, die sicherstellen, dass neue Arzneimittel auch zukünftig bezahlbar und für die deutsche Bevölkerung zugänglich bleiben. Im Fokus dieser Lösungsorientierung stehen etwa die Vorteile eines dynamischen Herstellerrabatts sowie die Notwendigkeit einer Neudefinition des Innovationsbegriffs. DAK-Chef Andreas Storm fordert ein rasches Handeln: Es brauche wirksame Instrumente zur Kostendämpfung. Dazu gehören kluge Leitplanken sowie ein nachhaltiges und verlässliches Regelwerk.
Unter dem Titel „Innovationsförderung und Kostendämpfung – ein Widerspruch?“ haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Forschungsinstitut Vandage und der Universität Bielefeld zum 12. Mal die Entwicklung im Markt der patengeschützten Arzneimittel für den AMNOG-Report analysiert. „Der AMNOG-Report zeigt, dass auch im Arzneimittelbereich Einnahmen- und Ausgabenseite aus dem Gleichgewicht geraten sind. Insbesondere der Patentmarkt führt zu Kosten, die das System an den Rand seiner Funktionsfähigkeit führen könnten“, sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit. „Trotzdem müssen Innovationsförderung und Kostendämpfung kein Widerspruch sein. Mit einer Vereinfachung des zuletzt komplex gewordenen AMNOG-Systems schafft man mehr Transparenz und Planbarkeit. Dynamische Preisabschläge, die an die Einnahmenentwicklung der GKV geknüpft sind, könnten ein wichtiger Baustein für eine langfristige Finanzierbarkeit der Arzneimittelausgaben sein.“
Kostenkonzentration auf wenige Arzneimittel
Die Analysen von Vandage und der Universität Bielefeld verdeutlichen, dass sich die Arzneimittelausgaben auf wenige, besonders umsatzstarke Arzneimittel konzentrieren. Im Jahr 2024 entfielen 10,8 Prozent der Gesamt-Arzneimittelausgaben auf ein Prozent der umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel. Neben hohen Einstiegspreisen liegt dies in der mittlerweile gängigen Praxis der sukzessiven Indikationserweiterungen begründet. Dabei zeigt der DAK-Report, dass die dafür eigentlich vorgesehen Preis-Mengen-Vereinbarungen nicht oder nur unzureichend wirken. Hohe Einstiegspreise, die unter anderem durch die kleinen Patientengruppen beim Markteinstieg begründet werden, werden durch die Indikationsausweitungen schleichend auf weitere, meist deutlich größere, Patientengruppen übertragen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Ausgaben. Der Report zeigt auf, wie das AMNOG derzeit keine Antwort auf diese Praxis findet. „Die neue Regierung muss hier mit einer echten AMNOG-Reform ansetzen,“ sagt Andreas Storm.
Einsparziele deutlich verfehlt
Die zuletzt getroffenen Maßnahmen aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) zur Regulierung der Arzneimittelausgaben waren laut der Forscherinnen und Forscher entweder wirkungslos oder mit Fehlanzeigen verbunden. So liegen die Einsparungen der darin definierten Leitplanken vermutlich weit unter den gesetzlichen Einsparzielen von 300 Millionen Euro pro Jahr. Der Kombinationsabschlag generierte 2024 laut AMNOG-Report nur 22 Millionen Euro an Einsparungen anstelle der geplanten 185 Millionen Euro. Auch die reduzierte Umsatzschwelle zur Vollbewertung von Orphan Drugs verfehlte die Einsparziele: Zwischen acht und 32 Millionen Euro wurden eingespart, geplant waren 100 Millionen jährlich. Die Rückwirkung des Erstattungsbetrags war laut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch am erfolgreichsten. Hier beliefen sich die Einsparungen auf rund 100 Millionen Euro von vorgesehenen 150 Millionen, wobei die volle Summe vermutlich noch erreicht wird.
Insbesondere im Kontext der Entwicklung der Arzneimittelausgaben sind durch Anpassungen des AMNOG die in der letzten Legislaturperiode maximal kosmetische Einsparungen erreicht worden. Wirksame Instrumente zur Kostendämpfung wurden hingegen nicht fortgesetzt. So hat der ausgelaufene erhöhte Herstellerabschlag um fünf Prozentpunkte im Jahr 2023 die Einsparerwartungen in Höhe von einer Milliarden Euro sogar übertroffen (1,3 Milliarden Euro).
Storm fordert regelgebundene Dynamisierung des Herstellerabschlags
Der Herstellerabschlag war das einzige Instrument mit wirklichem Einsparpotenzial. Zur kurzfristigen Kostendämpfung sollte die neue Bundesregierung deshalb einen dynamisierten Herstellerrabatt einführen, der allen Seiten Planungssicherheit gibt“, fordert Andreas Storm. So könnte beispielsweise beim Schätzerkreis im Oktober jeden Jahres eine Überprüfung und Anpassung des Herstellerabschlags erfolgen. Basis hierfür ist die erwartete Einnahmen- und Ausgabenentwicklung.
Im Report wird zudem die Notwendigkeit diskutiert, dass mittelfristig auch über den Begriff der Innovation gesprochen und dieser neu gedacht werden müsse. Was ist eine Innovation und was vielleicht schon Standard? Wie kann sich ein Therapievorteil finanziell niederschlagen, ohne das System zu überfordern? Diese Fragen gilt es laut AMNOG-Report zu erörtern, damit nicht jede echte oder vermeintliche Innovation zu weiteren Preisrekorden führt. Vielmehr müsse überprüft werden, ob der Preis früherer Nutzenbewertungen nach fünf, zehn oder fünfzehn Jahren noch gerechtfertigt ist.
Prof. Greiner: Kein messbarer Effekt auf Ausgabendynamik
„Ein Aufwuchs an Komplexität und fehlende Planbarkeit bestimmen seit knapp drei Jahren das AMNOG, bislang ohne messbaren Effekt auf die Ausgabendynamik neuer Arzneimittel“, ergänzt Prof. Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld und Mitherausgeber des AMNOG-Reports. „Zu diskutieren ist, ob das AMNOG selbst der richtige Ort ist, Ausgaben nachhaltig zu regulieren. Ein Neustart bei Pay-for-Performance-Modellen und eine Anpassung von Selbstbeteiligungen sollte vielmehr auf die politische Agenda.“
Mit Beiträgen von Prof. Josef Hecken (Gemeinsamer Bundesausschuss), Dr. Antje Haas (GKV-Spitzenverband), Prof. Dr. Sebastian Kluckert (AMNOG-Schiedsstelle), Dr. Sibylle Steiner (Kassenärztliche Bundesvereinigung) und Patrick van der Loo (Pfizer) nutzen namhafte Arzneimittelexpertinnen und -experten den AMNOG-Report 2025, um das Spannungsfeld zwischen Innovationsförderung und Kostenregulierung aus ihrer Sicht zu beleuchten und zu beurteilen.
Downloads
Bild herunterladen (Copyright: GettyImages/DAK-Gesundheit)
Ihr Kontakt
