DAK Kinder- und Jugendreport 2023: Gesundheit und Gesundheitsversorgung während und nach der Pandemie
Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sichtbar und Versorgungsherausforderungen messbar machen: Mit diesem Anspruch hat die DAK-Gesundheit vor sechs Jahren als erste bundesweit agierende Krankenkasse den Kinder- und Jugendreport veröffentlicht. Insbesondere die Verknüpfung von Erkrankungs- und Versorgungsdaten im Längsschnitt auf Basis von Abrechnungsdaten ist eine große Stärke unserer Analysen.
Im Zentrum des Kinder- und Jugendreports steht das Diagnose- und Versorgungsgeschehen im Längsschnitt. Der Report schreibt sich kontinuierlich fort und blickt aktuell auf eine zusammenhängende Datenreihe von sechs Jahren, welche das vollständige ambulant-ärztliche, therapeutische und stationäre Leistungsgeschehen der Jahre 2017 bis 2022 umfasst. Der Report umfasst dabei repräsentative Daten von fast 800.000 Kindern im Alter von 0 bis 17 Jahren. Dies ermöglicht nicht nur einen detaillierten Blick auf Erkrankungs- und Versorgungsschwerpunkte und deren zeitliche Entwicklung, sondern auch die Untersuchung regionaler Unterschiede.
Da im Kontext der Berichterstattung zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vornehmlich auf die COVID-19-Pandemie und deren begleitende Maßnahmen fokussiert wurden, betrachtet der vorliegende Report die Entwicklung der Neuerkrankungsraten häufigerer psychischer Erkrankungsbilder. Darüber hinaus wird untersucht, inwiefern Kinder aus Familien mit höherer sozial-ökonomischer Benachteiligung während der Pandemie stärker von einer Veränderung des Erkrankungs- und Versorgungsgeschehens betroffen waren als gleichaltrige Kinder aus Familien mit hohem sozio-ökonomischen Status.
Die wichtigsten Informationen haben wir auf dieser Website für Sie zusammengefasst. Den Gesamtreport können Sie am Ende der Seite als PDF herunterladen.
Kernergebnisse
Rückläufige Neudiagnoserate psychischer Erkrankungen insgesamt
- Die Neudiagnoserate psychischer Erkrankungen insgesamt (sämtliche sog. „F-Diagnosen“) und die damit verbundene Inanspruchnahme ärztlicher/therapeutischer Leistungen ist im Jahr 2022 rückläufig. Bei jugendlichen Jungen und Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren ist dieser Rückgang besonders stark ausgeprägt. Im Jahr 2022 sind gegenüber 2021 11 % weniger neubehandelte Fälle bei Mädchen dokumentiert. Bei Jungen beträgt der Rückgang 5 %.
- Im Gegensatz zu Jungen sind unter jugendlichen Mädchen im Vergleich zum Vorpandemie-Zeitraum die Fallzahlen im Jahr 2022 jedoch noch immer erhöht. Im Vergleich zu 2019 erhalten 6 % mehr jugendliche Mädchen erstmals eine psychische Erkrankung und Verhaltensstörung diagnostiziert. Bei Jungen liegt dieser Wert 2022 8 % unterhalb des Vorpandemie-Niveaus.
Fokuserkrankungen: Depressionen, Ängste und Essstörungen
- Im DAK Kinder- und Jugendreport 2022 wurden auf Basis der Daten des Jahres 2021 steigende Neuerkrankungsraten von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen hauptsächlich bei jugendlichen Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren berichtet. Wir führen diese Zeitreihe mit dem vorliegenden Report fort und analysieren die Häufigkeit neu diagnostizierter Depressionen, Angststörungen und Essstörungen im Jahr 2022 und vergleichen diese mit den Neuerkrankungsraten vor der Pandemie. Bei dieser Analyse stehen jugendliche Mädchen erneut im Mittelpunkt, da diese häufiger sogenannte „internalisierende Störungen“ entwickeln als gleichaltrige Jungen.
- Im Ergebnis zeigt sich, dass im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2022 ein leichter Rückgang der neu diagnostizierten Fälle mit Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen zu verzeichnen ist. Gleichzeitig bleiben die Neuerkrankungsraten gegenüber dem Vorpandemie-Zeitraum deutlich erhöht. Unter jugendlichen Mädchen (15-17 Jahre) wurden im Jahr 2022
- 4,1 % erstmalig mit einer Depression diagnostiziert, 24 % mehr als noch 2019,
- 4,0 % erstmalig mit einer Angststörung diagnostiziert, 44 % mehr als noch 2019,
- 1,0 % erstmalig mit einer Essstörung diagnostiziert, 51 % mehr als noch 2019.
- Eine Assoziation der sozialen Lage des Elternhauses mit dem Risiko einer Neudiagnosestellung ist in allen betrachteten Erkrankungsbildern erkennbar: Jugendliche Mädchen aus Familien mit hohem sozioökonomischem Status haben im Jahr 2022 im Vergleich zu Mädchen aus Familien mit niedrigem Status
- eine statistisch signifikant 27 % höhere Chance erstmalig eine Depressionsdiagnose zu erhalten,
- eine 9 % höhere Chance erstmalig eine Angststörungsdiagnose zu erhalten, allerdings nur in 2021 auf statistisch signifikantem Niveau,
- eine 25 % höhere Chance erstmalig eine Essstörungsdiagnose zu erhalten, allerdings nur in 2021 auf statistisch signifikantem Niveau.
Vertiefung
Depressionen bei jugendlichen Mädchen
2,9 % aller im Jahr 2022 mit Depressionen behandelten jugendlichen Mädchen leiden zudem unter einer komorbiden Angststörung. Der Anteil betroffener Mädchen mit komorbider Depression und Angststörung ist damit zuletzt überproportional stark gestiegen und liegt 2022 84 % oberhalb des Niveaus des Jahres 2019.
Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2022 wenigstens einen ambulanten Arztbesuch hatten, ist altersgruppenübergreifend nach einem leichten Rückgang im Jahr 2020 seit 2021 wieder leicht steigend.
Der Anteil DAK-versicherter Kinder und Jugendlicher, die wenigstens eine Arzneimittelverschreibung erhielten, ist im Gegensatz zu den Jahren 2020 und 2021 wieder zum Teil deutlich angestiegen. Bei Grundschulkindern im Alter von 5 bis 9 Jahren ist dabei eine langsame Angleichung an das Vorpandemieniveau zu beobachten, während insbesondere bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren vergleichsweise geringe Wachstumsraten in der Verordnungsquote zu beobachten sind.
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, für die im Jahr 2022 wenigstens ein Krankenhausaufenthalt dokumentiert wurde, liegt nach wie vor unterhalb des Vorpandemieniveaus. Während jedoch bei Grundschulkindern wieder ein ansteigender Trend zu beobachten ist, verbleiben die Hospitalisierungsraten von Schulkindern und Jugendlichen auf einem niedrigen Niveau.
Downloads: Gesamt-Report
Datengrundlage und Methodik
Darauf basiert der Kinder- und Jugendreport 2023
Für die vorliegenden Analysen wurden bundesweite anonymisierte Abrechnungsdaten aller im Zeitraum zwischen 2017 und 2022 bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen ausgewertet. Dem zugrunde liegen alle zu Abrechnungszwecken dokumentierten Versicherungs- und Leistungsdaten. Diese umfassen Informationen zur:
- Mitgliederstatistik (Stammdaten)
- stationären Versorgung (§ 301 Abs. 1 SGB V)
- vertragsärztlichen Versorgung (§ 295 Abs. 2 SGB V)
- Arzneimittelversorgung (§ 300 Abs. 1 SGB V)
- Vorsorge und stationären Rehabilitation (§ 301 Abs. 4 SGB V)
- Heilmittelversorgung (§ 302 SGB V)
- Hilfsmittel (§ 302 SGB V)
- Arbeitsunfähigkeit (der Eltern, § 295 Abs. 1 SGB V)
Diese Daten geben Auskunft über die zulasten der GKV abgerechneten Leistungen. Nicht berücksichtigt werden folglich individuelle Gesundheitsleistungen oder sonstige privat abgerechnete Leistungen, die nicht von der GKV erstattet werden.
In den vergangenen Jahren wurden im Kinder- und Jugendreport Versorgungsdaten der DAK-Gesundheit mit einem Zeitverzug von zwei Jahren präsentiert. Hintergrund sind die insbesondere für die Leistungsinformationen der vertragsärztlichen Versorgung bestehende Zeitversatz in der Datenanlieferung bei den gesetzlichen Krankenkassen. Werden dann Zeiten für Datenkonsolidierung, Anonymisierung, Weiterleitung, Aufbereitung und Analyse berücksichtigt, so ergeben sich entsprechende Zeitversätze im Reporting dieser Versorgungsdaten. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ist jedoch ein möglichst aktueller Zeitbezug der Analyse erforderlich, da die Pandemie sowie die mit der Pandemie verbundenen Maßnahmen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit und Gesundheitsversorgung allgemein sowie von Kindern und Jugendlichen im Speziellen hatte bzw. zum Zeitpunkt der Reporterstellung nach wie vor hat.
Der vorliegende Report basiert auf einer Vollerhebung aller bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren. Zur Beschreibung der Diagnosehäufigkeit und Leistungsinanspruchnahme werden Altersgruppen gebildet. Diese orientieren sich in Teilen an Altersgruppen, die auch in Berichten des Statistischen Bundesamtes Verwendung finden. Im Kern werden Neugeborene und Säuglinge (<1 Jahr), Kleinkinder und Kinder im frühen Kindesalter (1 bis 4 Jahre), Grundschulkinder (5 bis 9 Jahre), Schulkinder (10 bis 14 Jahre) und Jugendliche (15 bis 17 Jahre) differenziert.
Das analysierte Krankheitsgeschehen umfasst als kumulierte Querschnittsanalyse der Jahre 2017 bis 2022 Abrechnungsdaten von jeweils knapp 800.000 Kindern aus den Geburtsjahrgängen 2004 bis 2020. Für das Jahr 2022 entspricht dies einer Stichprobe von 5,7 % aller in Deutschland lebenden Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren. Der Report ist damit die größte systematische Analyse zur Kindesgesundheit in Deutschland. Je Bundesland bildet der DAK Kinder- und Jugendreport zwischen 2,9 % (Sachsen) und 10,3 % (Brandenburg) aller dort lebenden Kinder und Jugendliche ab. Kinder aus neuen Bundesländern sind unter DAK-Versicherten im bundesweiten Vergleich leicht überrepräsentiert.