Depressionen erkennen und behandeln

Phasen der Niedergeschlagenheit gehören zum Leben. Das gilt auch für länger andauernde Traurigkeit, wie zum Beispiel die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Im besten Fall bewältigen wir solche Schicksalsschläge nach einer gewissen Zeit, finden Unterstützung bei anderen Menschen, der Musik oder der Natur – und erleben auch in der schwierigen Zeit Momente des Trostes und der Verbundenheit.
Eine Depression dagegen wird von Betroffenen oft als ein „tiefes Loch“, als Glaswand zu der Welt der anderen oder auch als ein unerträglich schmerzendes Gefühl der Leere beschrieben. Menschen mit Depressionen gelingt es nicht mehr, ihre Situation mit eigenen Lösungsstrategien allein zu bewältigen.
An der Volkskrankheit Depression erkranken in Deutschland jährlich fünf Millionen Menschen. Mit Psychotherapie und Antidepressiva lässt sich wirksam helfen. Doch noch immer finden Betroffene erst spät oder gar nicht den Weg zu ärztlicher Hilfe – auch weil sie das Stigma einer Erkrankung fürchten, die fälschlicherweise mit persönlicher Schwäche in Verbindung gebracht wird. Dabei ist inzwischen bekannt: Eine Depression ist eine Krankheit wie Diabetes, Bluthochdruck oder ein Bandscheibenvorfall. Sie geht nicht davon weg, dass wir uns vornehmen, uns zusammenzureißen.
Du denkst, ein Mensch, der dir nahesteht oder du selbst könntest an ein einer Depression leiden? Dann erfahre hier mehr über die Krankheit, wie man sie verstehen lernt und wie man sich Hilfe holt.
Wie erkenne ich eine Depression?
Ein großes Problem der Depression besteht darin, dass sie für Betroffene, aber auch für Angehörige gerade in der Entstehungszeit nicht leicht zu erkennen und von normalen Phasen der emotionalen Belastung zu unterscheiden ist.
Viele Betroffene versuchen lange, allein mit ihrer Situation klarzukommen und suchen sich zu spät oder gar nicht Hilfe. Oft gehört zu der Erkrankung eine tiefe Antriebslosigkeit, die das normale Weiterleben und die Selbstfürsorge während der Erkrankung unmöglich macht. Dabei besteht die Gefahr, dass sich eine Depression immer weiter verstärkt und schließlich lebensgefährlich wird, weil der oder die Betroffene Suizidabsichten entwickelt und sie im schlimmsten Fall auch umsetzt.
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Depressionen: Zahlen und Fakten
- Depressionen sind weltweit die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und werden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2030 die höchste Krankheitslast in der Weltbevölkerung verursachen – noch vor den Herz- und Kreislauferkrankungen.
- Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland erkrankt einmal in seinem Leben an einer Depression. Frauen sind laut offizieller Diagnose doppelt so häufig betroffen wie Männer.
- Der Großteil der Menschen, die durch einen Suizid ums Leben gekommen sind, litten an einer Depression.
- Die Zahl der Suizide hat sich seit den 60er Jahren halbiert, was auch auf eine inzwischen verbesserte Behandlung von Depressionen zurückgeführt wird.
Wie wird eine Depression diagnostiziert?
Ob eine Depression vorliegt, ermitteln Therapeutinnen und Ärzte immer in einem sorgfältigen und auf den individuellen Menschen abgestimmten Gespräch. Ausgehend vom persönlichen Leidensdruck geht es dabei darum, herauszufinden, welche Symptome im Einzelfall im Vordergrund stehen. Drei Aspekte werden dabei genauer betrachtet:
Die Dauer der Niedergeschlagenheit, die Haupt- und die verschiedenen Nebensymptome.
Eine Depression liegt demnach vor, wenn die Beschwerden:
- zwei Wochen oder länger andauern,
- zwei von drei Hauptsymptomen und
- zwei oder mehr Nebensymptome vorhanden sind.
Hauptsymptome der Depression sind:
- Verminderter Antrieb
- Depressive Stimmung
- Verlust von Interesse und Freude
Nebensymptome der Depression sind:
- verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- übertriebene Zukunftsängste oder "Schwarzsehen"
- Suizidgedanken oder -versuche, Selbstverletzungen
- Schlafstörungen
- verminderter Appetit
Abhängig von der Anzahl und der Stärke der Symptome unterscheidet man zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression.
Depression erkennen: ein Online-Selbsttest gibt eine erste Einordnung
So kannst du Betroffene unterstützen:
- Hör einfühlsam zu und verzichte auf aufmunternde Ratschläge oder unpassende Vergleiche (also keine Sätze wie: Ich bin auch manchmal traurig. Denk einfach an was Schönes…).
- Keine Angst vor Offenheit. Sprich das Thema Depression ruhig an und unterstreiche dabei, dass Depression keine Schwäche oder persönliche Eigenschaft ist, sondern eine ernste, aber behandelbare Krankheit.
- Ermutige deinen Freund oder deine Freundin, sich Hilfe zu suchen und Therapieangebote anzunehmen.
- Biete praktische Hilfe an: zum Beispiel eine Therapeutin in der Nähe zu finden, Fragen für einen Arzt aufzuschreiben oder bei belastende Alltagsaufgaben zu unterstützen.
Welche Auswirkungen hat eine Depression auf Angehörige?
Auch für Angehörige ist eine Depression oft eine schwere Belastung. Partner, die die Erkrankung hautnah miterleben, fühlen sich oft hilflos und gleichzeitig verantwortlich für das Unglück ihres geliebten Menschen und leiden darunter, wie er immer mehr hinter der Krankheit verschwindet. In einigen Fällen kommt es zu sogenannten Co-Depressionen, bei denen betreuende Angehörige selbst zu Patienten oder zur Patientin werden.
Das hilft Angehörigen
Um einen Menschen während der Depression zu begleiten, brauchst du viel Kraft und alle positiven Ressourcen, die du kriegen kannst. Das solltest du tun:
- Sorge besonders gut für dich.
- Pflege deine Freundschaften, geh mal raus, schalte ab.
- Nimm Hilfe von Freunden an, wenn sie es anbieten.
- Lass dich bei den Sozialpsychiatrischen Diensten und anderen Institutionen des psychiatrischen Versorgungssystems beraten.
- Vernetze dich mit anderen Betroffenen beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen BapK
- Ist die Belastung zu groß, ist es sinnvoll, sich selbst therapeutische Hilfe zu holen. Denn nur wenn du gesund bleibst, kannst du für den anderen da sein.
Wie entsteht und verläuft eine Depression?
Depressionen verlaufen meist in Episoden, die einmalig oder wiederholt auftreten. Bei der Entstehung der Depression geht die Wissenschaft von einem komplexen Zusammenspiel von Veranlagung und neurobiologischen Störungen einerseits – und psychosozialen Faktoren wie Traumatisierungen, Stress oder schwierigen Lebensverhältnissen andererseits aus.
Was im Einzelfall eine depressive Episode hervorruft, könne man allerdings nicht immer klar identifizieren, betont Daniel Keil von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. „In der Natur der Depression liegt, dass sie auch eintreten kann, ohne dass es vorher bestimmte und eindeutige Auslöser gibt.“
Darin sei die Depression einem Bandscheibenvorfall ähnlich. „Ich kann eine Veranlagung für einen Bandscheibenvorfall haben und nie einen Bandscheibenvorfall bekommen. Ich kann ein traumatisches Erlebnis wie einen Sturz gehabt haben und damit wird die Krankheit ausgelöst. Aber ich kann auch ohne Sturz einen Bandscheibenvorfall entwickeln – so ähnlich ist es bei der Depression auch.“
Zusammengefasst bedeutet das: Eine Depression bricht oft als Reaktion auf überfordernde Lebenssituationen aus. Aber manchmal kennt man den Grund für den Ausbruch einer Depression auch nicht.
Wieviel Biologie steckt in der Depression?
Auch was während einer Depression im Gehirn geschieht und wie genau Psychopharmaka wirken, ist wegen der Komplexität der Abläufe in unserem Gehirn eine ebenso spannende wie immer noch weitgehend offene Frage. Klar ist bereits: die Erkrankung Depression hat nicht nur eine sozio-psychologische, sondern auch eine biologische Seite.
Wenn man das Gehirn mithilfe von bildgebenden Verfahren untersucht, lassen sich bei Patienten mit Depressionen zum Beispiel Veränderungen im limbischen System nachweisen. Dieser Bereich des Gehirns ist für die Empfindung und Verarbeitung der Gefühle zuständig. Außerdem beobachtbar ist eine Störung des Stoffwechsels im Gehirn. An diesem Punkt setzt auch die Wirkweise vieler Antidepressiva an: Serotonin-Wiederaufnahmehemmer erhöhen die Konzentration des Botenstoffes Serotonin in der Gewebsflüssigkeit des Gehirns. Interessanterweise können jedoch auch nichtmedikamentöse Behandlungen wie die Psychotherapie normalisierend auf den Gehirnstoffwechsel und Botenstoffe wie Serotonin im Gehirn wirken.
Sind Depressionen heilbar?
Mit Psychotherapie und Antidepressiva stehen zwei wirksame Methoden zur Besserung der Symptome von Depressionen zur Verfügung. Bei einer auf den Einzelnen passend zugeschnittenen Behandlung, sind die Prognosen der Erkrankung recht gut. Drei Viertel aller Patienten sind im Schnitt nach vier bis sechs Monaten genesen, haben aber ein erhöhtes Risiko, eine weitere depressive Episode zu erleben. Um dem Risiko einer erneuten depressiven Episode zu begegnen, sind verschiedene Maßnahmen empfehlenswert. Dazu gehört die professionelle Abklärung von Symptomen sowie auch konkrete positive Aktivitäten, die man selbst durchführen kann. Das kann z.B. regelmäßige Bewegung, Schlafhygiene, Stressmanagement und eine gesunde, ausgewogene Ernährung sein. Außerdem empfiehlt es sich, z.B. mit psychotherapeutischer Unterstützung, einen Notfallplan zu entwickeln, der einen an die persönlichen Warnzeichen der Depression, Hilfsstrategien und Möglichkeiten der Unterstützung erinnert.
Kann man eine Depression an den Augen erkennen?
Das geht tatsächlich. Am Botenstoffwechsel und den beobachtbaren veränderten neuronalen Signalen bei Depressionen knüpft auch ein einfacher Pupillentest an, mit dem man zukünftig eine Depression und sogar ihren Schweregrad bestimmen könnte. Eine Studie des Max-Planck-Instituts konnte zeigen, dass sich die Pupillen bei Menschen mit Depressionen in Vorfreude auf eine Belohnung weniger stark weiten als bei gesunden Menschen. Damit lassen sich theoretisch die bei Depressionen veränderten neuronalen Signale direkt von den Pupillen ablesen. Dies ist jedoch nur mithilfe eines MRTs möglich. Ein Patientengespräch zur Abklärung der Symptomatik bleibt außerdem weiterhin unerlässlich.
Wo finde ich Hilfe bei einer Depression?
Der erste Ansprechpartner bei einer Depression ist die eigene Hausärztin. Wenn du bereits Kontakt zu einer Psychiaterin oder einem Therapeuten hast, kannst du dort auch ohne Überweisung einen Termin für ein Erstgespräch ausmachen.
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