Depressionen bei Jugendlichen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Depressionen bei Jugendlichen: Mädchen starrt schwermütig vor sich hin

Die aktuellen Ergebnisse des DAK-Kinder- und Jugendreports zeigen, dass bei vielen jungen Menschen inzwischen dauerhaft psychische Probleme auftreten, darunter Despressionen sowie Angst- und Essstörungen. Experten sehen den Grund in den Folgen der Pandemie und den anhaltenden Krisen. 

Woran Sie erkennen, ob auch Ihr Kind unter Despression leidet oder gefährdet ist, und wie betroffene Jugendliche am besten unterstützt werden können, erfahren Sie im Interview mit Psychologin Theresa Panzer, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeitet.

Depressionen bei Teenagern auf hohem Niveau

Im Fokus des DAK-Kinder- und Jugendreports stehen Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Wie die Ergebnisse zeigen, sind die Behandlungszahlen jugendlicher Mädchen mit Depressionen 2024 im Vergleich zu 2019 um gut 27 Prozent gestiegen. Damit waren hochgerechnet bundesweit rund 84.000 jugendliche Mädchen mit einer Depression in Behandlung. Hinzu kommt: Jugendliche Mädchen erhalten seit 2019 häufiger eine wiederholte Diagnose von Depressionen
Zudem erhöhte sich 2024 die Zahl derer, die zeitgleich an einer Angststörung und einer Depression litten um rund 90 Prozent, verglichen mit 2019. 

Vor allem Mädchen leiden unter psychischen Erkrankungen. Sind Jungs einfach weniger anfällig für die Erkrankung?

Theresa Panzer: „Hier stellt sich die Frage: Sind Mädchen wirklich häufiger betroffen oder werden sie häufiger behandelt? Traurig zu sein, Angst vor Spinnen zu haben oder mit etwas nicht umgehen zu können – das ist bei Jungen noch etwas mehr stigmatisiert als bei Mädchen. Inwiefern das zu den Zahlen beiträgt, kann man allerdings nicht so gut sagen. Ob Mädchen höhere Risikofaktoren haben, oder mehr von ihnen Hilfe suchen, ist unklar – vermutlich ist beides der Fall.“

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Depression in der Pubertät

Welche Risikofaktoren für eine Depression bringt die Pubertät mit sich?

Theresa Panzer: „Bei Depressionen kommen mehrere Faktoren zusammen. Da gibt es etwa eine genetische Komponente. Aber auch neurobiologische Besonderheiten spielen eine Rolle. Das sind Stoffwechsel-Funktionsstörungen im Gehirn – das heißt, bestimmte Botenstoffe sind möglicherweise aus dem Gleichgewicht geraten. Auch das stressregulierende System im Gehirn arbeitet bei Depressiven anders. Dazu kommen bestimmte Persönlichkeits- oder Entwicklungsfaktoren, die das Risiko erhöhen. Etwa hohe Erwartungen an die eigene Leistung oder Unsicherheit, aber auch ein ängstlich-fürsorgliches Verhalten der Eltern bei der Erziehung. Dadurch haben die Jugendlichen oft selbst eine geringe Fähigkeit, mit Stress und Belastungen umzugehen.“

Was löst die Erkrankung dann letztendlich aus?

Theresa Panzer: „Man kann sich das so vorstellen: Jeder von uns hat eine Art Fass, das sich mit Belastungsfaktoren füllt. Das sind zum Beispiel kritische Lebensereignisse, wie die Scheidung der Eltern oder der Verlust eines Familienmitglieds. Viele Jugendliche fühlen sich aber auch mit der Schule überfordert oder mit Veränderungen im Alltag. Bei Teenagern mit vielen Risikofaktoren ist die Grenze für solche Belastungen schneller erreicht als bei anderen. Dann läuft irgendwann das Fass über und es kommt zu einer Depression.“

Symptome einer Depression bei Jugendlichen

Wie erkennen Eltern eine Depression bei Teenagern?

Theresa Panzer: „Grundsätzlich gibt es drei Hauptsymptome – es müssen aber nicht alle erfüllt sein. Einmal verändert sich die Stimmung ins Negative. Selbst Dinge, die früher Spaß gemacht haben, verbessern sie nicht. Betroffene verlieren außerdem die Freude und das Interesse an Aktivitäten, die sie einmal sehr mochten. Dazu kommen Antriebsschwierigkeiten, vor allem am Morgen, oder eine leichte Ermüdbarkeit und Erschöpfung. Besonders typisch für Jugendliche sind bei einer Depression schnelle Stimmungswechsel über den ganzen Tag. Es kommt auch öfter zu selbstverletzendem Verhalten, um mit den Spannungszuständen oder der inneren Leere umzugehen. Häufig verschiebt sich der Tag-Nacht-Rhythmus komplett, da die Betroffenen unter Schlafstörungen leiden. Das alles äußert sich im Alltag, zum Beispiel mit einem Leistungsabfall in der Schule. Einige Teenager ziehen sich immer mehr zurück, gehen Hobbys nicht mehr nach oder kompensieren die Symptome durch Alkohol und andere Substanzen.“

Wenig Schlaf und Stimmungswechsel – das kennen viele Eltern von ihrem Teenager. Sind Depressionen als Teenie also eine “Phase”, die zu Pubertät und Selbstfindung gehört?

Theresa Panzer: „Eine Depression bei Jugendlichen ist natürlich nicht die Regel, auch wenn sich die Symptome manchmal mit der Pubertätsentwicklung überschneiden. Letztendlich gehen die Beschwerden aber in ihrer Stärke und Dauer deutlich über das Maß hinaus, was eine jugendliche Phase ist. Im Normalfall funktionieren Teenager ja im Alltag, auch wenn es vielleicht mal mehr Konflikte mit den Eltern gibt – das ist bei einer Depression nicht der Fall. Trotzdem ist es oft schwer, die Symptome zu unterscheiden. Selbst Kinder- oder Jugendärztinnen und Ärzte erkennen eine Depression häufig nicht.“

Telefonische Hilfe

Depression: So läuft die Behandlung im Jugendalter ab

Wie wird eine Depression bei Jugendlichen behandelt?

Theresa Panzer: „Am meisten Erfolg bringt eine Psychotherapie, in der Regel wird auch eine kognitive Verhaltenstherapie verschrieben. Bei Kindern und Jugendlichen werden außerdem die Bezugspersonen mit einbezogen. Medikamente machen bei einer mittleren und schweren Depression Sinn – also dann, wenn der Alltag sehr stark beeinträchtigt ist und Betroffene nicht ausreichend auf die Psychotherapie ansprechen.“

Psychotherapeutische Behandlung

Wie wir bei seelischen Problemen helfen

Was können Eltern im Umgang mit depressiven Teenagern tun, wenn sich diese nicht behandeln lassen wollen?

Theresa Panzer: „Als Erstes sollten Eltern immer versuchen, die Kinder zu einer Behandlung zu motivieren, in dem sie ihre Sorgen mitteilen. Gut ist es, den Jugendlichen zu spiegeln, wie sie sich verändert haben. Oft zeigt sich nach dem ersten Kontakt mit der Therapeutin oder dem Therapeuten auch von selbst ein Interesse – das erlebe ich oft so im klinischen Alltag. Die Kinder merken, dass sie mit einer neutralen Person sprechen, die ihre Probleme ernst nimmt und Methoden kennt, die helfen. In schweren Fällen kann man eine Behandlung auch vor Gericht erwirken – also bei dauerhaften und starken Symptomen und Suizidgedanken. Das sollte aber der allerletzte Schritt sein.“

 

Diplom-Psychologin Theresa Panzer

Theresa Panzer

Psychologin

Theresa Panzer arbeitet in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort hat sie bei ihren jungen Patienten beispielsweise mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Transidentität oder Ängsten und Depressionen zu tun.

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