196.000 Sachsen dopen sich für den Job
Dresden, 21. April 2015. Hirndoping im Job: 196.000 Beschäftigte in Sachsen haben schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente genutzt, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder Stress abzubauen. Das geht aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport 2015 hervor. Die Studie zeigt auch die Entwicklung der Fehlzeiten bei den psychischen Erkrankungen. Sie nahmen im vergangenen Jahr um 22 Prozent zu. Seelenleiden waren damit die zweithäufigste Ursache für Fehltage in Sachsen. Insgesamt fiel der Krankenstand leicht auf 4,3 Prozent. Er lag damit über dem Bundesdurchschnitt von 3,9 Prozent.
Für die repräsentative Studie wertete das IGES Institut die Fehlzeiten aller erwerbstätigen DAK-Mitglieder in Sachsen aus. Es wurden zudem Arzneimitteldaten der Kasse analysiert und bundesweit mehr als 5.000 Beschäftigte im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben sich 5,4 Prozent der Berufstätigen in Sachsen und den angrenzenden Bundesländern schon einmal gedopt – mit Dunkelziffer sogar bis zu 9,7 Prozent. Hochgerechnet auf die Erwerbstätigen in Sachsen sind das 196.000 Menschen, die schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente geschluckt haben. Derzeit betreiben etwa 36.000 der Erwerbstätigen in Sachsen regelmäßig und gezielt Hirndoping. „Auch wenn Doping im Job noch kein Massenphänomen ist, sind diese Ergebnisse ein Alarmsignal“, warnt Steffi Steinicke, Landeschefin der DAK-Gesundheit in Sachsen. „Nebenwirkungen und die Suchtgefahr des Hirndopings sind nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen wir auch beim Thema Gesundheit vorausschauen und über unsere Wertvorstellungen und Lebensstilfragen diskutieren.“
Grauzone bei den Verordnungen
68 Prozent der Sachsen kennen den vermeintlichen Nutzen des Hirndopings. Häufig werden dafür Betablocker und Antidepressiva eingesetzt, aber auch Wachmacher und ADHS-Pillen – Medikamente also, die eigentlich zur Behandlung von Krankheiten verschrieben werden. In Sachsen stieg zum Beispiel die Zahl der DAK-Versicherten, die von ihrem Arzt eine Methylphenidat-Verordnung (Ritalin) erhalten haben, von 2011 bis 2013 um 141 Prozent an. Methylphenidat ist zur Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen zugelassen. Zehn Prozent der DAK-Versicherten bekamen dieses Medikament, ohne dass die Kasse in den Behandlungsdaten Hinweise auf ADHS finden konnte. Beim Wachmacher Modafinil verdoppelten sich die Verordnungen im gleichen Zeitraum. 29 Prozent der Rezepte blieben jedoch ohne nachvollziehbare Diagnose. „Die Ergebnisse unseres Reports zeigen, dass es eine deutliche Grauzone bei den Verordnungen gibt. Wir vermuten, dass aus dieser Grauzone ein Teil der zur Leistungssteigerung missbrauchten Medikamente stammt“, sagt Steinicke.
Männer wollen mehr Leistung
Auslöser für den Griff zur Pille sind meist hoher Leistungsdruck sowie Stress und Überlastung. Männer greifen eher zu leistungssteigernden Mitteln, Frauen nehmen häufiger stimmungsaufhellende Medikamente ein. Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Führungskräfte oder Kreative, die sich mit Medikamenten zu Höchstleistungen pushen wollen. Der DAK-Report zeigt, dass vor allem Erwerbstätige mit einfachen Jobs gefährdet sind. Auch Beschäftigte mit einem unsicheren Arbeitsplatz haben ein erhöhtes Doping-Risiko. „Hirndoping ist mittlerweile beim ‚Otto Normalverbraucher‘ angekommen, um den Arbeitsalltag besser zu meistern. Das Klischee der dopenden Top-Manager ist damit vom Tisch“, so Steinicke.
Krankenstand: Anstieg der psychischen Erkrankungen
Der DAK-Gesundheitsreport untersucht auch den Krankenstand in Sachsen. Er ist gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken und liegt bei 4,3 Prozent. Das heißt, 2014 waren von 1.000 erwerbstätigen Arbeitnehmern in Sachsen im Schnitt pro Tag 43 krankgeschrieben, im Bund waren es 39. Ein Beschäftigter fehlte in Sachsen an durchschnittlich 15,7 Tagen im Job. Für mehr als ein Fünftel dieser Ausfalltage (22,1 Prozent) waren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems verantwortlich, beispielsweise Rückenschmerzen. Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen, wie Depressionen und Angstzuständen, stiegen um 22 Prozent deutlich an und lagen mit 15 Prozent der Ausfalltage auf Platz zwei der Krankheitsarten. Die Zahl der Fehltage in diesem Bereich erhöhte sich auf 234 Tage pro 100 DAK-Versicherte. Seit dem Jahr 2000 stieg die Zahl der Ausfalltage bei den psychischen Erkrankungen um 150 Prozent. Dagegen sankt die Zahl der Fehltage aufgrund von Atemwegserkrankungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 29 Prozent. Atemwegserkrankungen
landeten mit einem Anteil von 14,4 Prozent am Krankenstand auf Platz drei.
Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren 2014 das Gesundheitswesen mit 4,8 Prozent, das Baugewerbe mit 4,4 und das verarbeitende Gewerbe mit 4,2 Prozent. Den niedrigsten Krankenstand hatte der Wirtschaftszweig Bildung, Kultur, Medien mit 3,4 Prozent.
Die DAK-Gesundheit ist die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von rund 70.000 erwerbstätigen DAK-Mitgliedern in Sachsen durch das IGES Institut ausgewertet.
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