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Saarland: Fast jedes vierte Schulkind hat psychische Probleme

Saarbrücken, 16. Januar 2020. Fast ein Viertel aller Schulkinder im Saarland zeigt psychische Auffälligkeiten. 1,7 Prozent aller Jungen und Mädchen zwischen zehn und 17 Jahren leiden an einer diagnostizierten Depression, 2,2 Prozent unter einer Angststörung. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit „Ängste und Depressionen bei Schulkindern“. Hochgerechnet sind insgesamt etwa 2.300 saarländische Schulkinder von beiden Diagnosen betroffen, darunter deutlich mehr Mädchen. Mit neuen Angeboten verbessert die DAK-Gesundheit jetzt die Versorgung depressiver Schulkinder im Saarland.

Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universität Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mädchen im Saarland umfassend untersucht. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus 2016 und 2017 nimmt insbesondere die seelische Gesundheit von Jungen und Mädchen in den Fokus. „Wir wollen das Tabu brechen, das psychische Erkrankungen noch immer umgibt“, sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, beim DAK-Dialog in Saarbrücken. „Diese Kinder leiden oft leise, bevor sie eine passende Diagnose bekommen. Wir müssen alle aufmerksamer werden – ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein.“

Ängste und Depressionen treten auch parallel auf

22 Prozent aller saarländischen Schulkinder im Alter von zehn bis 17 Jahren sind von einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstörung betroffen. Vor allem jüngere Schulkinder fallen am häufigsten durch Entwicklungsstörungen auf, zu denen Sprach- und Sprechstörungen gehören.  Auch Verhaltensstörungen, wie etwa ADHS sind verbreitet. Seltener, aber von hoher Relevanz für die Versorgung, sind affektive Störungen, zu denen auch die Depressionen gehören. Fast zwei Prozent aller DAK-versicherten Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 17 Jahren sind so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen. Damit sind Schulkinder im Saarland seltener betroffen als Gleichaltrige im Bundesdurchschnitt. Ein Drittel der Schulkinder leidet an mittelgradig schweren Depressionen. Bei 28 Prozent wurden leichte Depressionen festgestellt. Mädchen leiden im späten Jugendalter dreimal häufiger unter Depressionen wie Jungen. Mit einer diagnostizierten Angststörung kämpfen 2,2 Prozent aller Schulkinder. Hochgerechnet auf alle Kinder und Jugendlichen im Saarland entspricht dies etwa 2.300 mit Angststörungen oder Depressionen. Diese Störungsbilder treten auch parallel auf: Jeder sechste Junge im Saarland mit einer diagnostizierten Depression hat parallel auch eine Angststörung. Bei den Mädchen ist es jedes vierte.

Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen.

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Im Saarland lebt rund die Hälfte der DAK-versicherten Kinder in städtischen Gemeinden. Die Studie zeigt, dass Stadtkinder eher Diagnosen für eine psychische Erkrankung bekommen als Gleichaltrige vom Land (plus fünf Prozent). Stadtkinder haben im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger Depressionen (plus elf Prozent). Vor allem schwere und mittelgradig schwere depressive Episoden werden für sie öfter festgestellt. „Die Gründe für die beobachteten Zusammenhänge können an den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Lebensbedingungen liegen. Für Stadtkinder existiert aber auch ein dichteres Angebotsnetz an niedergelassenen Fachärzten. Sie bekommen leichter Hilfe und damit auch eine passende Diagnose“, erklärt Andreas Storm.

Chronische Krankheiten steigern Risiko für Depressionen

Der Report zeigt erstmals auf Basis von Abrechnungsdaten, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen körperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. „Wir sehen nicht selten, dass junge Patienten mit einem Typ-1-Diabetes oder einer schweren Rheumaerkrankung auch psychische Probleme entwickeln,“ berichtet Prof. Dr. Michael Zemlin, Direktor der Klinik für allgemeine Kinder- und Jugendmedizin an der Universitätsklinik Homburg aus seiner Erfahrung. „In der Pubertät ist ihre Situation besonders wackelig. Dann belastet es, wenn man vernünftig sein muss und nicht so unbekümmert leben kann, wie körperlich gesunde Gleichaltrige.“ Das familiäre Umfeld kann für die Entwicklung eines Seelenleidens ebenfalls ein Faktor sein: Kinder psychisch kranker Eltern sind deutlich gefährdeter (3-fach), selbst eine depressive Störung zu entwickeln. „Erkrankungen der Eltern können für Kinder und Jugendliche eine große seelische Belastung sein“, so Zemlin.

Depressive Jugendliche häufig mehrmals im Krankenhaus

„Mit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir für das Saarland auch belastbare Analysen zur Versorgungssituation von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten“, erklärt Julian Witte von der Universität Bielefeld als Studienautor. Jedes fünfte Mädchen und etwa jeder siebte Junge im Alter zwischen 15 und 17 Jahren nimmt ein Antidepressivum ein. Der Anteil der Betroffenen mit Rezept liegt dabei mit 16 Prozent fast im DAK-weiten Bundesdurchschnitt.

Höher als im Bundesdurchschnitt ist im Saarland der Anteil der Jungen und Mädchen mit einer Klinikeinweisung (plus drei Prozentpunkte): Elf Prozent der saarländischen Schulkinder mit einer diagnostizierten Depression wurden 2017 stationär behandelt, durchschnittlich für 20 Tage. Nach der Entlassung fehlt oft eine passende ambulante Nachsorge. In der Folge ist jedes vierte dieser Kinder zwischen zehn und 17 Jahren innerhalb von zwei Jahren mehrfach stationär in Behandlung. „Wir haben offenkundige Versorgungslücken nach der Krankenhausentlassung, die wir dringend schließen müssen“, betont Andreas Storm. „Eine Rehospitalisierungsquote von 24 Prozent ist alarmierend.“

DAK-Gesundheit entwickelt neue Angebote

Die DAK-Gesundheit im Saarland startet das neue integrierte Versorgungsangebot „veo“, damit Betroffene nach einer Krankenhausentlassung besser aufgefangen werden. „veo“ ermöglicht depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung. Das Programm ist einzigartig und hilft Kinder- und Jugendtherapeuten, Psychiatern sowie Haus- und Fachärzten dabei, die ambulante Nachsorge zu optimieren. Weitere wichtige altersgruppenspezifische Beteiligte wie Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendämter werden ebenfalls eingebunden. Das Ziel ist eine bessere Vernetzung und damit eine schnelle und unproblematische Hilfe für die betroffenen Kinder – ohne lange Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.

Parallel intensiviert die DAK-Gesundheit ihre Aktivitäten im Bereich Stressprävention. Gemeinsam mit der Cleven-Stiftung hat sie mit fit4future Teens ein neues Präventionsprogramm zum Thema Stressprävention für weiterführende Schulen entwickelt. Außerdem bietet sie Kindern ab zwölf Jahren individuell an, ihre seelische Stärke mit einer neuen Software zu trainieren. „DAK Smart4me“ ist kostenfrei zugänglich und passwortgeschützt auf Smartphones und allen anderen Bildschirmgeräten nutzbar. Infos dazu gibt es unter: www.dak.de/smart4me

Im Rahmen der Podiumsdiskussion beim DAK-Dialog in Saarbrücken diskutierten die saarländische Sozialministerin Monika Bachmann, DAK-Vorstand Andreas Storm, Prof. Dr. Michael Zemlin von der Universitätsklinik Homburg und Julian Witte, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bielefeld und Studienautor, über die Kinder- und Jugendgesundheit für das Saarland.

Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit für das Saarland untersucht umfassend die Behandlungsdaten der Jahre 2016 und 2017 von rund 10.000 minderjährigen Versicherten der DAK-Gesundheit im Saarland. Die Analysen sind am renommierten Lehrstuhl für „Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement“ der Universität Bielefeld gelaufen.

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