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Psychische Erkrankungen bei jugendlichen Mädchen in Hamburg bleiben auf hohem Niveau

Hamburg, 26. Februar 2024. Psychische Erkrankungen von jugendlichen Mädchen in Hamburg stabilisieren sich auf einem hohen Niveau. Nach Anstiegen seit der Corona-Pandemie gab es 2022 im Vergleich zu 2021 leichte Rückgänge in den ambulanten und stationären Behandlungszahlen. Trotzdem ist die Inanspruchnahme bei jugendlichen Mädchen höher als vor der Corona-Pandemie. Gleichzeitig zeigt sich ein Gender Gap: So sind die Neudiagnoserate bei jugendlichen Jungen deutlich rückläufig. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Hamburger Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse geben Experten keine Entwarnung. DAK-Landeschef Jens Juncker fordert mehr Präventionsinitiativen zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Hamburger Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 23.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in der Hansestadt versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von ambulanten und stationären Behandlungen für das vergangene Jahr.

„Die aktuellen Ergebnisse sind besorgniserregend. Leichte Rückgänge bei jugendlichen Mädchen bedeuten nicht, dass jetzt alles wieder in Ordnung ist. Im Gegenteil: Das Leiden vieler Teenagerinnen verfestigt sich“, sagt Jens Juncker, Landeschef der DAK-Gesundheit in Hamburg.  „Aktuell droht vielen präventiven und pädagogischen Angeboten der Rotstift. Umso erfreulicher ist es, dass das Projekt der Mental Health Coaches an Schulen in diesem Herbst gestartet ist. Wichtig ist: Wir dürfen an der psychischen Gesundheit unserer Kinder nicht sparen. Wir müssen aktiver werden. Wir brauchen mehr Präventionsinitiativen in Schulen, Vereinen und der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Denn es geht um die Zukunft unserer Kinder.“

Mediziner geben „keine Entwarnung“
„Die aktuellen Daten geben weiterhin Anlass zu Sorge“, sagt Prof. Dr. med. Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité. „Wir sehen eine Stabilisierung der Neuerkrankungsraten bei psychischen Erkrankungen auf einem hohen Niveau. Von einer Normalisierung der Lage kann keine Rede sein. Es gibt keine Entwarnung. Auch wenn die Zahlen rückläufig sind: Wir befinden uns immer noch in einer Mental-Health-Pandemie. Und jugendliche Mädchen tragen die sichtbar größte Last.“

„Die Ergebnisse sind sehr beunruhigend“, so Dr. Thomas Fischbach, ehemaliger Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ). „Dass die Neuerkrankungsraten leicht sinken, ist kein Grund für eine Entwarnung, da die Prävalenzen gegenüber 2019 immer noch sehr hoch sind. Großen Handlungsbedarf sehe ich bei Hilfsangeboten für psychisch kranke Jugendliche – damit meine ich nicht nur die medizinische Versorgung, sondern auch beispielsweise pädagogische Maßnahmen.“

Gender Gap: Unterschiedliche Entwicklungen bei Mädchen und Jungen
Die DAK-Auswertung zeigt, dass Mädchen und Jungen in Hamburg unterschiedlich stark psychisch belastet sind. Im Jugendalter ist dieser Gender Gap besonders ausgeprägt: So sind die Behandlungszahlen von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen 2022 bei Jugendlichen in Hamburg im Vergleich zu 2021 insgesamt leicht rückläufig. 2022 erhielten sechs Prozent weniger jugendliche Mädchen eine Neu-Diagnose in diesem Bereich als 2021Mit Blick auf die Situation vor der Corona-Pandemie lagen die Behandlungszahlen im vergangenen Jahr aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Hier gab es 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein deutliches Plus von elf Prozent. Insgesamt wurde 2022 bei rund 2.900 jugendlichen Mädchen aus Hamburg eine psychische Erkrankung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert.

Die Entwicklung bei jugendlichen Jungen zeigt eine andere Tendenz. 2022 wurden sieben Prozent weniger Teenager mit psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen in Hamburger Krankenhäusern oder Arztpraxen versorgt. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 steht ein Minus von 19 Prozent.

„Während Jungen bei psychischen Belastungssituationen eher externalisierend reagieren, das heißt Sozialverhaltensstörungen wie Aggressivität, Impulsivität und oppositionelles Verhalten zeigen, neigen Mädchen eher zu internalisierenden Störungen wie Rückzug, Angst bis hin zu depressiven Verstimmungen und Essstörungen“, so Fischbach. „Externalisierende Störungen werden oft nicht als psychische Störungen gewertet, sondern als Sozialverhaltensstörungen. Sie sind somit wahrscheinlich unterdiagnostiziert.“

„Zudem besteht die Sorge, dass Jungen eventuell bei psychischen Belastungen mehr auf substanzgebundene und nicht-substanzgebundene Suchtmittel, wie Gaming, zurückgreifen. Das gilt es weiter zu beobachten“, sagt Correll.

Jugendliche Mädchen: Zunahme bei Ängsten
Die aktuelle Analyse des Kinder- und Jugendreport für Hamburg belegt, dass die Steigerungsraten bei Angststörungen jugendlicher Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit besonders ausgeprägt sind. Zwar sank die Neuerkrankungsrate bei Angststörungen 2022 um 25 Prozent im Vergleich zu 2021. Doch im Vergleich mit 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, steht ein Plus von 28 Prozent. Bei Depressionen und Essstörungen sind die Trends in Hamburg rückläufig. Im Vergleich zu 2021 erkrankten rund 18 Prozent weniger jugendliche Mädchen 2022 neu an Depressionen – im Vergleich zu 2019 waren es sieben Prozent weniger. Bei Essstörungen gingen die Neuerkrankungen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent zurück. Mit Blick auf 2019 sanken die Zahlen um 24 Prozent.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Hamburg rund 240.000 Menschen versichert.


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