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Hilfe zur Pflege in Pflegeheimen – Auswirkungen der Regelungen des GVWG auf die stationären Pflegekosten und ihre Aufteilung

Pflege in Pflegeheimen: Pflegerin unterstützt ältere Frau beim Gehen.

Mit dem im Sommer 2021 verabschiedeten Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) sollten auch finanzielle Entlastungen für die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner einhergehen. Diese Entlastungen könnten sich insbesondere durch die seit dem 1.1.2022 gewährten Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen (§ 43c SGB XI) ergeben. Seit diesem Zeitpunkt gilt die zusätzliche Übernahme von:  

  • 5 % der pflegebedingten Eigenanteile im ersten Jahr des Heimaufenthalts, 
  • 25 % im zweiten Jahr, 
  • 45 % im dritten Jahr und 
  • 70 % bei längerem Heimaufenthalt durch die Pflegeversicherung.  

Vorübergehend reduziert dies die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen und in der Folge auch die Sozialhilfeabhängigkeit. Einen weiteren – kleineren – Effekt hat das Wohngeld-Plus-Gesetz, welches den Anteil der Leistungsbezieher unter den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern ausweitet. Dem entgegen laufen die Steigerungen der Heimentgelte durch die Verpflichtung zur Entlohnung auf Tarifniveau (§ 72 Abs. 3a-e SGB XI) und die Refinanzierung von Mehrpersonal (§ 113c SGB XI). Die Modellrechnungen der hier vorgestellten Studie liefern Prognosen über die monetären Wirkungen der GVWG-Reformschritte für jene, die dauerhaft in stationären Pflegeeinrichtungen wohnen.

Kernergebnisse


Grafik: Entwicklung der pflegebedingten Eigenanteile bei Berücksichtigung durchschnittlicher Leistungszuschläge.

Abbildung 1: Entwicklung der pflegebedingten Eigenanteile bei Berücksichtigung durchschnittlicher Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI in Abhängigkeit von der Dauer der stationären Pflege

Für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner mit weniger als zweijähriger Heimpflege liegen die Gesamteigenanteile (Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil, Entgelte für Unterkunft & Verpflegung, Investitionskosten und Ausbildungskosten) schon 2024 höher als vor der Reform. Lediglich für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner mit mehr als dreijähriger Aufenthaltsdauer ergibt sich eine Entlastung, die auch 2026 noch besteht (Abbildung 1). Diese Aufenthaltsdauer erreichen aber nur 30 Prozent der Pflegebedürftigen, die in eine Einrichtung einziehen.


Grafik: Entwicklung der Eigenanteile bei Berücksichtigung durchschnittlicher Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI.

Abbildung 2: Entwicklung der Eigenanteile bei Berücksichtigung durchschnittlicher Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI

Die ausgabensteigernden Elemente der GVWG-Reform eliminieren die entlastenden Effekte der Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen gemäß § 43c SGB XI. Bereits im Jahr 2023 übersteigen die privat aufzubringenden Durchschnittsbeträge (unter Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen) wieder den Wert von 2021 und steigen danach noch stärker (Abbildung 2).  

Die GVWG-Reform führt weiterhin zu direkten Entlastungen für die Sozialhilfeträger, die bei Wegfall der ursprünglich geplanten anteiligen Investitionskostenfinanzierung nun auch die öffentlichen Haushalte vorübergehend entlasten. Doch 2023 haben die Ausgaben der Sozialhilfeträger die Werte von 2019 fast wieder erreicht. 

Zusammenfassung

Die Modellrechnung beschäftigt sich mit den Finanzwirkungen, die durch die Reformelemente des GVWG in Bezug auf Pflegefinanzierung, Entlohnung und Personalmehrung entstehen. Im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, die Entwicklung der Eigenanteile zunächst „beobachten“ zu wollen und dann zu „begrenzen“. Die Beobachtung der Eigenanteilsentwicklung bis zum 1. Quartal 2023 und die in den Modellrechnungen vorgenommenen Projektionen zeigen, dass die Heimentgelte, Sozialhilfeempfängerquote und Sozialhilfeausgaben steigen. Sie übersteigen schon in diesem Jahr die Werte, die 2020/21 eine Reform veranlassten. Auch kleine Schritte zeigen Wirkungen, allerdings erkaufen sie angesichts der ungebrochenen Dynamik bei den Heimentgelten nur Zeit.

Vertiefungsthema & Zentrale Forderungen der DAK-Gesundheit

Die Pflegeversicherung wurde vor mehr als einem Vierteljahrhundert eingeführt, um pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit zu reduzieren: 

  • Der sozialpolitische Anspruch einer Lebensstandardsicherung sollte auch gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit realisiert werden.
  • Die Ausgaben der Sozialhilfeträger sollten begrenzt werden.  

Aus diesem Grund sollte die Entwicklung der Sozialhilfequote in Abhängigkeit von den ergriffenen Reformelementen genauer betrachtet werden. 


Grafik: Entwicklung der HzP-Quote mit und ohne Reformmaßnahmen.

Abbildung 3: Entwicklung der HzP-Quote mit und ohne Reformmaßnahmen

Das Ziel, die Sozialhilfequote dauerhaft zu begrenzen wird nicht realisiert und bedarf der Ergänzung durch weitere politische Maßnahmen. Die Wirkung kleiner Schritte ist erkennbar, aber nicht nachhaltig. Wie die gelbe Linie zeigt, leistet selbst die Kleinstreform des Wohngeld-Plus-Gesetzes einen Beitrag zur Verringerung des Anstiegs der Sozialhilfequote (Abbildung 3).

Auf ein Wort

  • Porträt Andreas Storm

    Diese Schritte (des GVWG) waren wichtig. Sie sind aber nicht ausreichend, um die Kosten durch die enormen Preissteigerungen sowie das Tariftreuegesetz wirksam zu begrenzen. Es wird höchste Zeit, dass wir den durch diese Reformschritte gewonnenen Spielraum nutzen, um eine tragfähige und solidarische Reform der Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen. Ziel muss es sein, dass weniger als 30 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind.

    Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit


Grafik: Zielvorschlag - Stabilisierung der Sozialhilfequote bei maximal 30%

Abbildung 4: Zielvorschlag - Stabilisierung der Sozialhilfequote bei maximal 30%

Die Ausrichtung der DAK-Gesundheit orientiert sich an den Ergebnissen der Studie von Prof. Dr. Rothgang. Der Zielvorschlag einer Begrenzung der HzP-Quote bei 30 % ergibt sich anhand der dargestellten Entwicklung in Abbildung 4. Folgende Maßnahmen könnten die Belastung der Heimbewohner senken: 

  1. Herausnahme der Ausbildungskosten aus dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) 
  2. Anhebung der pauschalen Leistungsbeträge in vollstationärer Pflege 
  3. Erhöhung des Leistungszuschlags nach § 43 c SGB XI (gestaffelt nach Aufenthaltsdauer) 

Aktueller Hinweis  

Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG), vom Juni 2023, werden die gestaffelten Leistungszuschläge nach § 43 c SGB XI für die vollstationäre Pflege um 5 (bei Verweildauer von mehr als 12 Monaten) bis 10 Prozent (bei Verweildauer von unter 12 Monaten) zum 01.01.2024 erhöht. 


Grafik mit dem Titel: Stufenweise finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen im PG 2-5 ab 1.1.2024.

Download: Expertise

Datengrundlage und Methodik

Darauf basiert die Expertise

Als Datengrundlage zur Ermittlung des Gesamteinkommens und Vermögens dient das Soziooekonomische Panel. Die Daten wurden für den gesamten Beobachtungszeitraum aufgearbeitet. Dem einzusetzenden Einkommen sowie Vermögen werden in der Simulation die Heimkosten entgegengestellt. Hierfür wurden Daten des Verbands der Ersatzkassen (vdek) herangezogen, die quartalsweise individuelle Vergütungsdaten für etwa 12.000 Pflegeheime differenziert nach Pflegesätzen, Entgelten für Unterkunft und Verpflegung, sowie Ausbildungs- und Investitionskosten enthalten. Für die Daten der Jahre 1999 bis 2026 wurden bundesdurchschnittliche Faktoren definiert, um die Heimentgelte zurückzurechnen respektive zu projizieren. Das auf diesen Daten basierende stochastische Mikrosimulationsmodell ermittelt, zu welchen Anteilen gegebene Heimentgelte durch Pflegeversicherung, private Einkommen und Vermögen der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner und ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen sowie die Hilfe zur Pflege getragen werden. Das Modell wurde auf das Jahr 2021 kalibriert. Darauf aufbauend konnten die bereits erfolgten Vermögensverzehre für die Heimpopulationen zum Stichjahr 2022 bis 2026 simuliert werden und die jeweils im Zieljahr gültige Verteilung der Heimentgelte auf die verschiedenen Kostenträger projiziert werden. Allen Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern wurde ein zufälliger Heimplatz sowie ein individuelles Einzugsdatum zugeordnet. Ausgehend von den individuellen Einzugszeitpunkten konnten – über differenzierte Berechnungsschritte - die HzP- und Wohngeld-Quoten als Anteil der Pflegebedürftigen, die der Hilfe zur Pflege oder Wohngeld bedürfen, ebenso wie die mittleren Ausgaben der Hilfe zur Pflege, zum Wohngeld (und in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein des Pflegewohngeldes) für die simulierte Heimpopulation berechnet werden. Die Berechnung der HzP-Quote innerhalb des Modells erfolgte, indem die Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher von Hilfe zur Pflege zur Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen in Beziehung gesetzt wurde. Für die Umrechnung auf die Gesamtpopulation wurde ein externer Faktor berechnet, der die simulierte Heimpopulation an die Gesamtpopulation der Pflegebedürftigen in stationärer Versorgung anpasst (externe Kalibrierung). 

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