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DAK-Gesundheitsreport 2023: Gesundheitsrisiko Personalmangel - Arbeitswelt unter Druck

Personalmangel: Foto-Collage zeigt erschöpfte Menschen bei der Arbeit sowie Puzzleteile mit Symbolen für Mann und Frau.

Expertinnen und Experten warnen seit vielen Jahren vor den Folgen des Personal- und Fachkräftemangels, der sich vor allem durch den demografischen Wandel weiter verstärken wird. In der Corona-Pandemie und während der außergewöhnlich starken Infektionswelle im Herbst 2022 wurden die Folgen des Personal- und Fachkräftemangels schlagartig für nahezu jeden und jede deutlich spürbar.

Welche Auswirkungen hat der Personalmangel auf die Arbeitssituation, die Belastung und das Freizeitverhalten der Beschäftigten? Und vor allem, welche gesundheitlichen Folgen zeigen sich? Wie stellt sich der Arbeitskräftemangel aus Sicht der Beschäftigten in den Unternehmen dar? Welche Strategien entwickeln die Beschäftigten im Umgang damit und welche Lösungsansätze in den Unternehmen werden erlebt?

Der DAK-Gesundheitsreport analysiert den Personalmangel aus der gesundheitlichen Perspektive der Beschäftigten, einmal anhand der Krankenkassenroutinedaten und zum anderen auf der Basis einer breit angelegten Erwerbstätigenbefragung. Fundierte Einschätzungen aus Expertensicht komplettieren die Untersuchung und geben Hinweise, inwieweit ein gesundheitsförderliches Arbeitssetting und ein betriebliches Gesundheitsmanagement einen Beitrag zur Steigerung und Aufrechterhaltung der Erwerbsbeteiligung leisten können.

Der Gesundheitsreport der DAK-Gesundheit

Der jährlich erscheinende Gesundheitsreport analysiert die Daten zur Arbeitsunfähigkeit aller bei der DAK-Gesundheit versicherten Berufstätigen. Er bietet damit einen verlässlichen Überblick über das Krankheitsgeschehen in der Arbeitswelt. Regelmäßig stellt die DAK-Gesundheit dar, welche Krankheiten die größte Rolle gespielt haben, und untersucht geschlechts-, alters-, branchen- und regionalspezifische Besonderheiten.

Die wichtigsten Ergebnisse des Gesundheitsreports 2023 haben wir hier zusammengefasst.

Zentrale Ergebnisse des Reports

Krankenstand 2022

  • 2022 ist der Krankenstand nach einem leichten Rückgang im Vorjahr stark angestiegen. Der Krankenstand im Jahr 2022 lag damit bei 5,5 Prozent (2021: 4,0 Prozent).

Top 3 Erkrankungsgruppen

  • Atemwegserkrankungen lagen mit einem Anteil von rund 19,9 Prozent hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Krankenstand an erster Stelle. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage mehr als verdoppelt (von 146,3 auf 397,8 Tage pro 100 Versichertenjahre). 
  • Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen sind leicht gestiegen (354,1 AU-Tage pro 100 Versichertenjahre gegenüber 336,8 AU-Tagen im Vorjahr). 
  • Psychische Erkrankungen verursachten 15,1 Prozent des Krankenstandes und lagen somit auf Platz drei der wichtigsten Erkrankungsarten. 2022 gab es aufgrund von psychischen Erkrankungen 301,1 Arbeitsunfähigkeitstage pro 100 Versichertenjahre. Das waren erneut mehr AU-Tage als im Vorjahr (2021: 275,9 AU-Tage). 

Umfang des Personalmangels

  • 45 Prozent der Beschäftigten erleben regelmäßigen starken oder sehr starken Personalmangel im eigenen Arbeitsbereich. Sie sind durchgängig mit der Situation konfrontiert, dass die Arbeit mit dem vorhandenen Personal für sie nur schwer zu bewältigen ist.

Folgen des Personalmangels für die Beschäftigten

  • Durch den Personalmangel steigen die Belastungen bei der Arbeit stark an. Der Termin- und Leistungsdruck ist deutlich erhöht, es werden (noch) mehr Überstunden gemacht, viele Beschäftigte können ihre Pausen nicht nehmen etc.. 
  • Die höhere Belastung im Beruf wirkt sich auch negativ auf den privaten Bereich aus. Für einen gesunden Ausgleich zum Beruf, zum Beispiel durch Zeit mit der Familie und Freunden, Zeit für Sport und Hobbies bleibt hier weniger Zeit.
  • Bei den von erhöhter Arbeitsbelastung Betroffenen kommt es zu vermehrten gesundheitlichen Beschwerden. Das Auftreten von Beschwerden nimmt stetig zum Umfang des erlebten Personalmangels zu.


Chart mit dem Titel "Personalmangel: Häufigste Beschwerden bei denen, die am Arbeitsplatz verbleiben".

Krankenstand in von Personalmangel besonders betroffenen Berufen

  • Der Krankenstand in den Berufsgruppen, die regelmäßig Personalmangel erleben, liegt deutlich über dem bundesweiten Wert von 5,5 Prozent. Eine Ausnahme bilden dabei nur die Berufe in der Informatik- und anderen IT-Berufen.
  • In der Krankenpflege, der Altenpflege oder in der Kinderbetreuung und Erziehung Tätigen sind insbesondere die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen erhöht.
  • In Berufen der Sanitär, Heizung-, Klimatechnik, in der Fahrzeug-Führung und in den Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen treten überdurchschnittlich viele Fehlzeiten aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen auf.
  • Zusätzlich dazu kommt es bei Beschäftigten, die regelmäßig Personalmangel erleben, deutlich häufiger vor, dass sie auch dann arbeiten, wenn sie krank sind.

Beschäftigte reagieren auf die Belastung

  • Beschäftigte suchen aktiv nach geeigneten Wegen, die hohe Arbeitsbelastung zu reduzieren. Etwa ein Viertel ist bereits verstärkt auf das Arbeiten im Homeoffice ausgewichen.
  • Besonders problematisch: Etwa sechs Prozent der Beschäftigten haben ihre Arbeitszeit bereits reduziert und weitere 19 Prozent ziehen diesen Schritt in Erwägung. 
  • Die Beschäftigten in der Krankenpflege, in der Altenpflege und in der Kinderbetreuung haben ihre Arbeitszeit aufgrund der hohen Arbeitsbelastung zu einem deutlich höheren Anteil bereits reduziert oder erwägen diesen Schritt, was den Druck in diesen Beschäftigtengruppen weiter erhöht.

Engagement der Betriebe zum Thema Gesundheit

  • Nach Experteneinschätzung kommt dem Engagement von Betrieben, eine gesundheitsförderliche und möglichst belastungsarme Arbeitsumgebung zu schaffen, eine besondere Bedeutung zu, um die gesundheitsbelastenden Folgen des Personalmangels abzumildern.
  • Allerdings berichten 48 Prozent der Beschäftigten, dass es bislang keine derartigen betrieblichen Angebote/Aktivitäten gibt.
  • Beschäftigte, die im eigenen Arbeitsbereich in besonderen Umfang vom Personalmangel betroffen sind, nehmen den Stellenwert des Themas Gesundheit in ihren Betrieben nur als unterdurchschnittlich ausgeprägt wahr.

Potential zur Abmilderung des Personalmangels durch Ausweitung von Arbeitszeit

  • Nach den Befragungsergebnissen haben 10 Prozent der Beschäftigten grundsätzlich Interesse an einer Ausweitung ihrer Arbeitszeit. Dieser Anteil der Beschäftigten arbeitet aktuell in Teilzeit und würde die Arbeitszeit – die passenden Rahmenbedingungen vorausgesetzt – gerne ausweiten. 
  • Allerdings hat ein größerer Anteil der Beschäftigten (15,7 Prozent), die auch in Teilzeit arbeiten, nicht den Wunsch seine Arbeitszeit (wieder) auszuweiten. Die übrigen drei Viertel der Beschäftigten arbeiten bereits in Vollzeit.
  • Der Wunsch, die Arbeitszeit bei passenden Rahmenbedingungen auszuweiten, ist bei 35- bis 49-jährigen Frauen mit 22 Prozent am größten ausgeprägt, ab dem Alter von 50 Jahren wünschen sich nur 12 Prozent der Frauen eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit.

Schaffen von Rahmenbedingungen, um Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren

  • Die Möglichkeit zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort haben etwa 70 Prozent aller Beschäftigten. 71 Prozent der Vollzeitbeschäftigten und 61 Prozent der Teilzeitbeschäftigten verfügen bereits jetzt über die Möglichkeit, ihren Arbeitsort flexibel zu wählen.
  • 16 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen, die ihre Arbeitszeit ausgeweitet haben, geben an, dass dies aufgrund der Möglichkeit, verstärkt im Homeoffice arbeiten zu können, umsetzbar war.
  • Frauen begründen eine Ausweitung der Arbeitszeit hauptsächlich damit, dass die familiäre Situation dies (inzwischen) zulässt. Für 19 Prozent der Frauen war die Ausweitung ihrer Arbeitszeit erforderlich, weil sich das tägliche Leben durch gestiegene Preise verteuert hat. Bei 19 Prozent der Frauen wurde die Entscheidung für eine Arbeitszeitausweisung durch einen entsprechenden Vorschlag ihres Betriebes angeregt.

Potential zur Abmilderung des Personalmangels durch längeres Arbeiten in guter Gesundheit

  • Nach Experteneinschätzung besteht eine wesentliche Herausforderung darin, die Erwerbsfähigkeit älterer Beschäftigter (trotz einer höheren Krankheitslast) möglichst kontinuierlich und ohne Ausfälle aufgrund von Krankschreibungen aufrechtzuerhalten.
  • Die Analysen zur gesundheitlichen Situation älterer Beschäftigter zeigen erwartungsgemäß eine mit steigendem Alter deutliche Zunahme von chronischen Erkrankungen (insbesondere Beschwerden im Muskel-Skelett-System). 
  • Die durchgeführten Analysen zum Diagnosespektrum in der ambulanten ärztlichen Versorgung unterstreichen diese Ergebnisse. Es zeigt sich aber auch, dass Krankschreibungen nicht im gleichen Umfang wie die ambulante Diagnosehäufigkeit zunehmen. 
  • Mit dem Alter nehmen vor allem lange Krankschreibungen ab sechs Wochen Dauer zu. Bei den Fehlzeiten durch kürzer dauernde Krankschreibungen zeigen sich kaum Unterschiede zu den jüngeren Beschäftigten. 
  • Der Anteil der Beschäftigten ab 50 Jahren, die ihre aktuelle Leistungsfähigkeit als deutlich eingeschränkt bewerten, erhöht sich mit zunehmendem Alter und liegt in dieser Altersgruppe bei ca. 8 Prozent. Jedoch geben rund 53 Prozent der Beschäftigten ab 50 Jahren an, dass sie über eine volle Leistungsfähigkeit verfügen. Bei den Beschäftigten in der mittleren Altersgruppe liegt dieser Anteil mit 57 Prozent nur geringfügig höher. 

Betriebliche Angebote für ältere Beschäftigte

  • Die betrieblichen Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatem sind den Befragungsergebnissen nach inzwischen sehr vielfältig, weit verbreitet und werden auch von den älteren Beschäftigten angenommen und intensiv genutzt.
  • Hingegen sind die betrieblichen Angebote zur gezielten Unterstützung älterer Beschäftigter (beispielsweise zur altersgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes und/oder der Arbeitsaufgaben, spezielle Aus- und Weiterbildungsangebote) bei weitem noch nicht ausreichend auf- und ausgebaut. 
  • Viele ältere Beschäftige (ab 50 Jahren) wünschen sich hier ein stärkeres Engagement ihrer Arbeitgebenden und würden solche Angebote auch nutzen.

Download: Gesundheitsreport 2023 als eBook

Datengrundlage und Methodik

Darauf basiert der Gesundheitsreport 2023

Die Ergebnisse des Gesundheitsreports stützen sich auf verschiedene Datenquellen. Hierbei handelt es sich zum einen um die Arbeitsunfähigkeitsdaten der DAK-Gesundheit, die durch weitere Daten der DAK-Gesundheit zu ambulanten Behandlungen ergänzt werden. Die gesamte Datenbasis für das Berichtsjahr 2022 umfasst rund 2,4 Mio. Mitglieder der DAK-Gesundheit mit Krankengeldanspruch.

Zum anderen wurde eine standardisierte Online-Befragung von 7.058 abhängig Beschäftigten im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung stellen die Grundlage für zentrale Ergebnisse des Reports, insbesondere zum Ausmaß des Personalmangels in den Betrieben und in einzelnen Arbeitsbereichen und Branchen und zu den für die Beschäftigten erwachsenden Belastungen.

Weitere erhobene Themen sind das Arbeiten in Teil- oder Vollzeit, die gesundheitliche Situation der Beschäftigten sowie betriebliche Angebote zur Erleichterung der Ausweitung der Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen und von älteren Beschäftigten und die Nutzung dieser Angebote.

Die Befragung wurde durch das IGES Institut konzipiert und im Zeitraum 29. November 2022 bis 20. Dezember 2022 durch die Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH als Online-Befragung realisiert. Das von Forsa verwendete Panel befragt auch Personen ohne Internetanschluss (diese Gruppe nimmt mittels einer Box am Fernsehgerät an Befragungen teil), sodass es hier nicht zu einer Verzerrung dahingehend kommt, dass nur Personen mit Internetanschluss beteiligt wären. Die Rücklaufquote wird von Forsa mit 37 Prozent angegeben. Alle im Gesundheitsreport dargestellten Auszählungen und Analysen wurden durch das IGES Institut auf Basis des von Forsa übernommenen Rohdatensatzes erstellt.

Die Befragten wurden auf Basis der Daten des Mikrozensus nach Alter, Geschlecht und Bundesland gewichtet, sodass der Datensatz repräsentativ für die abhängig beschäftigte Bevölkerung im Alter von 18 bis 65 Jahren in Deutschland ist.

Eine weitere Datenquelle stellt eine halbstandardisierte Befragung von Expertinnen und Experten aus der Forschung und betrieblichen Praxis zum betrieblichen Gesundheitsmanagement dar. Sie wurden unter anderem zu den aktuellen Entwicklungen der Personal- und Fachkräftesituation, dem Potential der Personal- und Fachkräftesicherung durch eine stärkere Arbeitszeitausweitung von Beschäftigten in Teilzeit und einer längeren Erwerbsbeteiligung von älteren Beschäftigten befragt. Außerdem wurden sie um eine Einschätzung gebeten, welchen Stellenwert verschiedene Konzepte der betrieblichen Gesundheitsförderung zur Sicherung der vorhandenen und zur Gewinnung weiterer Personal- und Fachkräfteressourcen haben. 

Im Januar und Februar 2023 wurden zusätzlich leitfadengestützte Interviews mit ausgewählten Teilnehmenden der Expertinnen- und Expertenbefragung durchgeführt. Dabei wurden Fragestellungen zum Potential gesundheitsförderlicher Strukturen in Unternehmen für eine stärkere und längere Erwerbsbeteiligung in guter Gesundheit von Beschäftigten vertieft.

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