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Wie traumatisch kann eine Geburt für eine Mutter sein?

Geburtstrauma: Eine Mutter lehnt erschöpft an der Wand und hält ihr Neugeborenes

Trauma-Expertin Petra Hartmann beantwortet die wichtigsten Fragen

Eine Schwangerschaft ist etwas Schönes, die Vorfreude der gesamten Familie auf das Baby ist riesengroß, doch leider verläuft nicht jede Entbindung unkompliziert. So können während des Geburtsvorgangs verschiedene Komplikationen wie etwa starke Blutungen, ein Nabelschnurvorfall oder eine Wehenschwäche bis hin zum Geburtsstillstand auftreten. Selbstverständlich sind Hebammen und Ärzte auf die meisten Eventualitäten, die bei der Entbindung eines Kindes möglich sind, gut vorbereitet und wissen, welche Maßnahmen im Ernstfall zu ergreifen sind. Was dabei jedoch oft auf der Strecke bleibt, ist die psychische Versorgung der werdenden Mutter. Werden betroffene Frauen dann noch unachtsam behandelt, kann ein Trauma einen dunklen Schatten über das Babyglück legen.

Wie entsteht ein Geburtstrauma?

Trauma-Expertin Petra Hartmann

Ob sich durch die Geburt ein Trauma entwickelt, liegt zum einen daran, wie sie verläuft: Kommt im Kreißsaal plötzlich Hektik auf und das Leben von Baby oder Mutter gerät in Gefahr, kann dies bei einer werdenden Mutter tiefe Ängste auslösen. Hinzu kommen eine völlige Hilflosigkeit, das Gefühl des Ausgeliefertseins und körperliche Schmerzen.

„Leider ist es heute zudem oft so, dass Ärzte und Hebammen aufgrund des Personalmangels unter Zeitdruck sind und Maßnahmen wie etwa den Kristeller-Handgriff oder einen Dammschnitt ohne medizinische Notwendigkeit durchführen, um die Geburt des Kindes zu beschleunigen“, bedauert Trauma-Expertin Petra Hartmann, die eine Praxis für Psychotherapie und Homöopathie in Berlin führt. Beim umstrittenen Kristeller-Handgriff, den die Weltgesundheitsorganisation WHO schon seit Längerem wegen zu vieler Risiken nicht mehr empfiehlt, soll der Geburtshelfer mittels wehensynchronem Bauchdruck in der Austreibungsphase die Geburt des Kindes beschleunigen.

„Das kann sich wie eine Vergewaltigung anfühlen – und ist oft nicht medizinisch notwendig“, weiß Petra Hartmann, die bereits viele traumatisierte Mütter behandelt hat. Besonders gefährdet für ein Trauma sind vor allem Frauen, die bestimmte negative sowie schmerzvolle Erfahrungen gemacht haben – etwa sexuellen Missbrauch oder eine gewalttätige Beziehung. Aus dieser Zeit kennen die Frauen das Gefühl der Machtlosigkeit – und erleben es während der Geburt des Kindes erneut. Unbedachte Aussagen von Geburtshelfern oder Ärzten können bei jungen Müttern zudem das Gefühl unterstreichen, versagt zu haben.

„Viele Betroffene denken, es ist ihre Schuld, dass sie keine reibungslose und schöne Geburt hinbekommen haben“, erklärt Petra Hartmann. „Und diese Frauen haben es in den Wochen nach der Geburt dann doppelt schwer.“

Wie erkenne ich eine Traumatisierung?

Die Symptome eines Traumas können ganz unterschiedlich sein: Viele Betroffene können nach der Geburt keine positiven Gefühle mehr erleben, sodass es ihnen häufig nicht gelingt, eine ausreichende Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Sie fallen in ein tiefes Loch aus emotionaler Taubheit und Gleichgültigkeit, aus dem sie sich nicht selbst wieder befreien können.

„Meist erleben Betroffene die Geburt des Babys in Gedanken immer wieder nach“, erzählt Petra Hartmann. „Sie kommen nicht über die Ereignisse hinweg und können auch nicht darüber sprechen.“ Die Trauma-Expertin ist überzeugt: „Was in der Öffentlichkeit als Wochenbettdepression bezeichnet wird, ist häufig ein Geburtstrauma.“

Psychotherapeutische Behandlung

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Neben den psychischen Symptomen treten bei betroffenen Müttern zudem häufig auch körperliche Anzeichen wie etwa Schlafstörungen, Herzrasen, Zittern und erhöhter Blutdruck auf. Auch Schmerzen können hinzukommen, insbesondere wenn die Frau einen Kaiserschnitt hatte. Die Gesundheit der Frauen leidet – und damit oftmals auch das neue Leben als Familie.

Geburtstrauma: Wo bekomme ich Hilfe?

Leider scheuen sich viele Frauen davor, sich jemandem anzuvertrauen, da das Thema Geburtstrauma in der Öffentlichkeit oft noch tabuisiert wird. Der Verein „Schatten & Licht e.V.“ fängt Betroffene auf und ist eine gute Anlaufstelle für alle Frauen mit psychischen und körperlichen Erkrankungen in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt.

Neben umfangreichen Informationen und Kontakten zu Selbsthilfegruppen gibt es hier auch eine Liste von Experten in ganz Deutschland. Eine gute Anlaufstelle für frischgebackene Mütter ist darüber hinaus auch die Hebamme oder der Gynäkologe. Sie sind mit der Thematik vertraut und können Kontakte zu Psychotherapeuten in der Nähe vermitteln, die sich auf (Geburts-)Traumata spezialisiert haben.

Sehr empfehlenswert ist auch, bereits in der Schwangerschaft eine positive Geburtsvorbereitung zu erlernen, zum Beispiel mit einer speziellen Form von Selbsthypnose, die Kristin Graf mit ihrer Methode ‚Die friedliche Geburt‘ entwickelt hat, da eine gute Vorbereitung einige Risiken einer Geburt minimiert.
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