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RSV-Infektionen bei Thüringer Babys: doppelt so viele Klinikbehandlungen

Erfurt, 30. März 2023. Bei Neugeborenen und Säuglingen sind die Klinikbehandlungen mit dem sogenannten RS-Virus in Thüringen drastisch gestiegen. Die Zahl der unter Einjährigen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) lag in der Saison 2021/22 doppelt so hoch wie im gleichen Zeitraum 2018/19 – vor der Corona-Pandemie. Hochgerechnet auf alle in Thüringen lebenden Kinder mussten in der Saison 2021/22 rund 650 Babys im Krankenhaus behandelt werden. Die Zahl der Neugeborenen und Säuglingen auf den Intensivstationen lag bei 500 und hat sich damit im Vergleich zu Vor-Corona ebenfalls verdoppelt. Das zeigt eine repräsentative DAK-Sonderanalyse des thüringischen Kinder- und Jugendreports. Als erste Krankenkasse hat die DAK-Gesundheit die Krankenhausbehandlungen von Kindern und Jugendlichen im Freistaat im Hinblick auf RSV-Infektionen bis Ende 2022 untersucht. Auch im Herbst und Winter 2022 stiegen die Zahlen stark an. Mediziner beobachten erhebliche Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. DAK-Landeschef Kaiser sieht akuten Handlungsbedarf der Landespolitik.

Für die DAK-Sonderanalyse im Rahmen des thüringischen Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 18.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022. Damit legt die Krankenkasse erstmals aktuelle Daten zu RSV-Infektionen und Atemwegserkrankungen in Thüringen vor.

„Unsere Analyse zeigt eine besorgniserregende Entwicklung,“ sagt Marcus Kaiser, Landeschef der DAK-Gesundheit in Thüringen und macht deutlich: „Es gibt einen akuten Handlungsbedarf. Ein Personalmangel darf nicht zu einer Gefährdung der Versorgung führen. Dieser Zustand darf sich nicht wiederholen. Die bereits beschlossenen Maßnahmen der Politik zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen müssen nun konsequent und zügig umgesetzt werden“, so Kaiser. „Denn es geht vor allem darum, die Gesundheit von Neugeborenen und Säuglingen zu schützen. Wir müssen alles tun, damit Kinder im Freistaat gesund aufwachsen und dürfen die Kleinsten und Schwächsten nicht alleine lassen.“

Ausfall der RSV-Welle in der Pandemie
Die DAK-Sonderanalyse macht deutlich, dass während der Covid-19-Pandemie Thüringen nahezu keine Kinder mit RSV-Infektionen im Krankenhaus behandelt worden sind. Nach der Corona-Pandemie hat sich der Höhepunkt der RSV-Welle zeitlich nach vorne verschoben. Und es wurden merklich mehr Kinder stationär versorgt: So verdoppelte sich in der Saison 2021/22 der Anteil der thüringischen Babys, die mit RSV im Krankenhaus behandelt wurden, im Vergleich zur Saison 2018/19. Hochgerechnet mussten in der Saison 2021/22 in Thüringen rund 650 Neugeborene und Säuglinge in Kliniken versorgt werden. Atemwegserkrankungen sind ein vergleichsweise häufiger Grund für eine Krankenhausbehandlung im Kindes- und Jugendalter. So waren in der Saison 2021/22 insgesamt 59 Prozent aller Krankenhausaufenthalte von Kindern und Jugendlichen auf Atemwegsinfekte zurückzuführen. 16 Prozent aller Kinder, die mit Atemwegserkrankungen in Kliniken versorgt wurden, waren Neugeborene und Säuglinge unter einem Jahr.

Medizin-Experten sehen erhebliche Nachholeffekte
„Die Ergebnisse zeigen genau das, was wir in den Praxen erlebt haben“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. RSV-Infektionen seien die Ursache typischer saisonaler Atemwegsinfektionen, die wellenförmig verlaufen. Diese Wellen seien unvorhersehbar stark ausgeprägt, was natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Krankheitslast nicht nur in den Kliniken habe. „Die Saison 2020/21 ist wegen der Corona-Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen. Dieser Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 lassen den Schluss zu, dass es zu erheblichen Nachholeffekten infolge der Corona-Maßnahmen gekommen ist.“

Dies bestätigt auch Prof. Dr. med. Johannes G. Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg: „Die ausgeprägt starke Krankheitslast durch RSV-Erkrankungen im Herbst 2021 und Herbst/Winter 2022/23 hat verschiedene Gründe. In erster Linie sind hierfür die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen während der Corona-Pandemie wie Kontaktverbote oder Schulschließungen zu nennen. Durch diese kam es im März 2020 zu einem abrupten Abbruch der RSV-Saison 2019/2020 sowie zu einem nahezu kompletten Ausfall der RSV-Saison im Herbst/Winter 2020/2021.“ Dadurch hätte sich die übliche Infektionsinzidenz in allen Altersgruppen erheblich reduziert. „Das Aufholen beziehungsweise Nachholen dieser RSV-Infektionen nach Lockerung der Corona-Maßnahmen führte zu einem überaus starken Wiederanstieg an RSV-Erkrankungen in allen Altersgruppen“, so Liese. „An der Krankheitslast von Neugeborenen und Säuglingen, die besonders häufig im Krankenhaus behandelt werden müssen, war dies besonders eindrücklich zu erkennen.“

Für BVKJ-Präsident Fischbach ist auffällig, dass ungewöhnlich viele Neugeborene und Säuglinge trotz erheblicher Krankheitslast nicht stationär aufgenommen werden konnten, weil kein Platz mehr in den Kliniken war. Dies habe in der ambulanten Versorgung zu einem erheblichen Betreuungs- und Versorgungsaufwand geführt, da engmaschige Kontrollen erforderlich gewesen wären. „Die Kliniken arbeiteten an ihren Kapazitätsgrenzen, was nicht zuletzt auch durch coronabedingt hohe Personalausfälle bedingt war. Das galt auch für den ambulanten Versorgungsbereich“, so Fischbach. Die DAK-Sonderanalyse zeige, wie wichtig die Infektionssurveillance sei. „Es gilt, unbedingt die weitere Entwicklung abzuwarten und die RSV-Epidemiologie der kommenden Jahre genau zu verfolgen“, so Fischbach. „Gleichzeitig müssen die Bettenkapazität und die Personalausstattung der Kinderkliniken und -abteilungen verbessert werden. Wir brauchen mehr Kinderkrankenschwestern und -pfleger, die durch eine fachbezogene Ausbildung gewonnen werden müssen. Analoges gilt für den Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA), der attraktiver werden muss.“

Auch Professor Liese fordert mehr Personal in den Kinderkrankenhäusern: „Wir brauchen eine substanziell bessere Ausstattung der Kinderkliniken, die auch die saisonalen – gerade auch durch das RS-Virus – infektionsbedingten Schwankungen in der Belegung berücksichtigt und weiterhin eine gute Versorgung in diesen Zeiten der Überlastung ermöglicht“, sagt er. Zudem regt Liese eine Vernetzung der Kinderkrankenhäuser an. „Es braucht so schnell wie möglich ein System zum Austausch der Kliniken über freie Bettenkapazitäten ähnlich wie bei Covid-19.“ Wichtig sei auch eine bessere Forschungsförderung, was die Epidemiologie, Prävention und Therapie von RS-Virus-Infektionen angehe.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Thüringen rund 130.000 Menschen versichert.

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