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Warum sind wir als Erwachsene oft ängstlicher als wir es noch in Kindertagen waren?

Maria Austermann: „Kinder schätzen Risiken schon aufgrund ihres kleineren Erfahrungsschatzes anders ein als Erwachsene. Sie haben meist nur wenige negative Erfahrungen gesammelt, gehen mit ungebremster Entdeckungslust auf das Leben zu. Mit dem Wissen, was alles passieren kann, aber auch mit der wachsenden Verantwortung für andere steigt mit dem Erwachsenwerden auch unser Gefühl für die Gefahren im Leben. Viele von uns werden also mit den Jahren vorsichtiger – und manchmal auch ängstlicher.“

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Maria Austermann (M.Sc. Psychologin)
Psychologin bei der DAK-Gesundheit

Kann man etwas gegen Angststörungen unternehmen?

Maria Austermann: „Ja. Auch wenn dieser Prozess an sich normal ist, können und sollten wir uns etwas kindliche Entdeckerfreude bewahren. Eine gute Übung ist, sich immer mal wieder aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Das kann für jeden etwas Unterschiedliches bedeuten: zum Beispiel ein bislang unbekanntes Reiseziel, doch noch mal ein Jobwechsel oder einfach nur eine andere Spazierwegroute. Auch kleine Entwicklungen, Veränderungen und Wagnisse können uns bereits ein Gefühl von Lebendigkeit und Erfolg vermitteln und davor bewahren, immer weiter in den Rückzug zu gehen.“ 

Ab wann ist Ängstlichkeit oder Angst ein gesundheitliches Problem?

Maria Austermann: „Angst an sich gehört zu unserer Natur und befähigt uns, in einer Gefahrensituation auf unsere ganze Energie zugreifen zu können. Angst ist deshalb auch keine Schwäche – und niemand muss sich für seine Angst schämen. Von Angststörungen sprechen wir in der Psychologie, wenn Ängste in Situationen auftreten, die eigentlich keine Gefahr darstellen. Die Angst wird als heftig erlebt, obwohl sie unverhältnismäßig zu der tatsächlichen Bedrohung ist. Das kann sich auch in Symptomen, wie Herzrasen oder Schwindel äußern. Bei einer Angststörung besteht ein Leidensdruck, der die Lebensqualität und die Alltagsgestaltung der betroffenen Personen stark einschränkt.“

Habe ich eine schon eine Angststörung, wenn ich einmal eine Panikattacke hatte?

Maria Austermann: „Eine Panikattacke, also einen plötzlichen Angstanfall, erlebt durchschnittlich jeder Fünfte einmal in seinem Leben. Längst nicht jeder ist deshalb von einer Angststörung betroffen. Wenn wir extreme Angst erleben, fühlt sich das sehr bedrohlich an, verschwindet jedoch meist nach einigen Minuten wieder. Es hilft, sich klarzumachen, dass unser Leben dabei nicht in Gefahr ist und die Panik vorübergehen wird. Entscheidend sind unser Denken und Fühlen nach einem solchen Erlebnis. Denn: negatives Denken verstärkt negative Gefühle. Katastrophendenken, die Erwartungsangst, weitere Panikattacken zu erleben und Vermeidungsverhalten können dabei Anzeichen für eine Angststörung sein..“

Was passiert eigentlich bei einer Panikattacke im Körper?

Maria Austermann: „Bei Angst schaltet der gesamte Körper in den Alarmmodus. Der Impuls dazu kommt vom Gehirn, genauer gesagt, dem sogenannten Mandelkern, der auf einen Sinnenreiz in Sekundenbruchteilen reagiert. Über Nervenbahnen in Nebennierenmark werden dann Stresshormone wie Adrenalin ausgeschüttet. Zu dem Beklemmungsgefühl kommen physische Reaktionen wie Herzrasen, Atemnot und Schmerzen im Brustbereich, Schwitzen oder starke Kältegefühle, Schockstarre, trockener Mund, Nervenkribbeln, Schwindel oder Übelkeit. Manche Menschen haben während einer Panikattacke Angst, verrückt zu werden oder spüren Todesangst. Das ist schon ein extremes Paket und kann bei einer Panikattacke ohne angemessenen äußeren Grund geschehen ­­– wie bei einer Alarmanlage der Fehlalarm.“

Wie kann man auf Panikattacken reagieren und Angststörungen vorbeugen?

Maria Austermann: „Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Angstgefühle zu unserem Leben gehören, dass sie aber auch wieder weggehen. Unser Angstsystem ist nicht für den Dauereinsatz ausgerichtet, es fährt von selbst wieder runter. Wenn man das verinnerlicht hat, kann das Ängsten ihren größten Schrecken nehmen. Als Vorbeugung gegen Panikattacken und Angststörungen hilft eigentlich alles, was auch beim Stressabbau hilft: Sport, Atemübungen, Entspannungsmethoden wie der progressiven Muskelentspannung, Aufmerksamkeit umlenken und das Erlernen von Stressbewältigungsstrategien. Zusätzlich kann man sich natürlich auch professionelle Unterstützung suchen, wenn man merkt, dass das allein nicht so einfach geht.“

Werden die Grundlagen unseres Ängstlichkeitsprofils immer schon in der Kindheit gelegt?

Maria Austermann: „In gewisser Weise ja, aber sie bleiben noch veränderbar. Auch in den späteren Lebensjahren kann ja noch etwas geschehen, was uns schreckhafter und ängstlicher werden lässt. Doch die in der Kindheit und Jugend geprägte Persönlichkeit hat natürlich einen Einfluss darauf, welche Ängste wir entwickeln und wie wir mit ihnen umgehen. Und wir können tatsächlich ein Leben lang lernen, mit unserer Angst besser leben zu können."

Sollten Erwachsene ihre Ängste vor Kindern zeigen?

Maria Austermann: „Grundsätzlich sollte man als Erwachsener gegenüber seinen Kindern so authentisch wie möglich sein – und das bedeutet auch, in kindgerechter Sprache darüber zu sprechen, wenn man sich über etwas Sorgen macht. Allerdings ist es ebenso wichtig, seine Kinder nicht zu überfordern. Wenn man unter starken Ängsten oder Angststörungen leidet, ist es sehr wichtig, seine Kinder zu schützen und sich therapeutische Hilfe suchen. Denn Kinder nehmen sich ihre Eltern zum Vorbild und kopieren ihr Verhalten, sie leiden also nicht nur unter der aktuellen Belastungssituation, sondern können mit höherer Wahrscheinlichkeit auch die Ängste Ihrer Eltern übernehmen oder eine stärkere Ängstlichkeit entwickeln. Aber auch elterliche Überbehütung kann sich langfristig ungünstig auswirken. Kinder gewinnen dadurch den Eindruck, dass sie mit ihren Ängsten nicht allein zurechtkommen können. Ängste können dadurch nicht aufgelöst oder noch gar noch weiter verstärkt werden. In der Erziehung ist es deshalb sehr wichtig, die kindlichen Kompetenzen und Ressourcen zur Problemlösung zu fördern und weiter auszubauen.“

Was kann ich tun, wenn mein Kind besonders ängstlich ist? Ist es damit gefährdet, eine Angststörung zu entwickeln?

Maria Austermann: „Ängste gehören zur kindlichen Entwicklung und werden meist gut bewältigt. In der Regel tun Eltern genug für ihre Kinder, wenn sie verlässlich, liebevoll und verständnisvoll für sie da sind. Eine über Wochen anhaltende Ängstlichkeit mit Schlafstörungen, körperlichen Symptomen wie Zittern und Herzrasen und Vermeidungsverhalten in Kindergarten, Schule oder im Freizeitbereich sollten Elternernst nehmen und mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt abklären. Denn auch Kinder können Angststörungen entwickeln. Eine frühe Behandlung ist hier sehr wichtig, damit die Symptome sich nicht verfestigen.“