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Hamburg: 4000 Schulkinder krankhaft traurig

Hamburg, 13. Februar 2020. Ein Viertel aller Schulkinder in Hamburg zeigt psychische Auffälligkeiten. Insbesondere bei krankhaften Ängsten gibt es 2017 einen deutlichen Anstieg. Gegenüber dem Vorjahr haben Hamburger Ärzte acht Prozent mehr Angststörungen diagnostiziert.  Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport Hamburg der DAK-Gesundheit mit dem Schwerpunkt „Ängste und Depressionen bei Schulkindern“. Hochgerechnet leiden aktuell etwa 4.000 Hamburger Kinder zwischen zehn und 17 Jahren unter einer Depression und 3.200 Jungen und Mädchen dieser Altersgruppe unter einer Angststörung.

Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universität Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation von Schulkindern in Hamburg umfassend untersucht. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus 2016 und 2017 nimmt insbesondere die seelische Gesundheit von Jungen und Mädchen in den Fokus. „Wir wollen das Tabu brechen, das psychische Erkrankungen noch immer umgibt“, sagt Katrin Schmieder, Leiterin der DAK-Landesvertretung in Hamburg. „Die betroffenen Kinder leiden oft leise, bevor sie eine passende Diagnose bekommen. Wir müssen aufmerksamer werden – ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein – und nachhaltig helfen.“

Depressionen unter älteren Schulkindern verbreitet

25 Prozent aller Jungen und Mädchen in Hamburg sind von einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstörung betroffen. Vor allem jüngere Schulkinder fallen am häufigsten durch Entwicklungsstörungen auf, zu denen Sprach- und Sprechstörungen gehören. Die Abrechnungsdaten der Krankenkasse für 2017 zeigen, dass Verhaltensstörungen, wie etwa ADHS, ebenfalls sehr verbreitet sind. Seltener, aber von hoher Relevanz für die Versorgung, sind affektive Störungen, zu denen die Depressionen zählen: 2,9 Prozent aller DAK-versicherten Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 17 Jahren sind so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen. Das ist im bundesweiten Vergleich der zweithöchste Wert hinter Berlin. Die Häufigkeit diagnostizierter Angststörung liegt unter Hamburger Schulkindern bei 2,3 Prozent. Sie ist 2017 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gestiegen, was an einem deutlichen Plus bei den Fallzahlen im späteren Jugendalter liegt. Der Leidensdruck ist bei 15- bis 17-Jährigen besonders hoch: Von ihnen haben 5,1 Prozent Depressionen und 3,4 Prozent Angststörungen. Das bedeutet von 20 Lernenden in einer zwölften Schulklasse ist statistisch gesehen einer mit Depressionen in ärztlicher Behandlung.

Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. 37 Prozent aller Fälle im Jahr 2017 diagnostizierten die Hamburger Ärzte als mittelschwer oder schwer. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen.

Chronische Krankheiten steigern Risiko für Depressionen

Der Report zeigt erstmals, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen körperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. „Wir sehen nicht selten, dass junge Patienten auch psychische Probleme entwickeln,“ berichtet Dr. Alexandra Widmer aus ihrer Praxiserfahrung in Hamburg. „In der Pubertät ist ihre Situation besonders wackelig.“ Dann belastet es, wenn man vernünftig sein muss und nicht so unbekümmert leben kann, wie körperlich gesunde Gleichaltrige. Das familiäre Umfeld kann für die Entwicklung eines Seelenleidens ebenfalls ein Faktor sein: Kinder psychisch kranker Eltern sind deutlich gefährdeter (3-fach), selbst eine depressive Störung zu entwickeln. „Erkrankungen der Eltern können für Kinder und Jugendliche eine große seelische Belastung sein“, so Widmer.

In Hamburg sind Depressionen häufiger als im Bundesdurchschnitt

„Mit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir für Hamburg auch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt belastbare Zahlen“, erklärt Julian Witte von der Universität Bielefeld als Studienautor. So gibt es in Hamburg 38 Prozent mehr diagnostizierte Fälle von Depressionen unter Schulkindern. Depressive junge Patienten bekommen in der Hansestadt seltener ein Rezept für entsprechende Arzneimittel. Der Verschreibungsanteil von Antidepressiva liegt hier bei jungen Patienten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt um 17 Prozent niedriger. Dafür überweisen Hamburger Ärzte einen größeren Anteil der depressiven Schulkinder an ein Krankenhaus (plus 13 Prozent im Vergleich zum Bund).

DAK-Gesundheit entwickelt neue Angebote

Fast jedes zehnte depressive Schulkind in Hamburg (neun Prozent) muss wenigstens einmal im Jahr deswegen in ein Krankenhaus. Im Durchschnitt dauert ein Krankenhausaufenthalt wegen einer Depression in Hamburg 56 Tage. Nach der Entlassung fehlt oft eine passende ambulante Nachsorge. „Wir haben Versorgungslücken nach der Krankenhausentlassung, die wir dringend schließen müssen“, betont Katrin Schmieder. Die DAK-Gesundheit in Hamburg startet deshalb das neue integrierte Versorgungsangebot „veo“, damit Betroffene nach einer Krankenhausentlassung besser aufgefangen werden. „veo“ ermöglicht depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung. Das Programm „veo“ ist einzigartig. Es hilft Kinder- und Jugendtherapeuten, Psychiatern sowie Haus- und Fachärzten dabei, die die ambulante Nachsorge zu optimieren. Weitere wichtige altersgruppenspezifische Beteiligte wie Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendämter werden ebenfalls eingebunden. Das Ziel ist eine bessere Vernetzung und damit eine schnelle und unproblematische Hilfe für die betroffenen Kinder – ohne lange Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.  

Parallel intensiviert die DAK-Gesundheit ihre Aktivitäten im Bereich Stressprävention. Gemeinsam mit der Cleven-Stiftung hat sie mit fit4future Teens ein neues Präventionsprogramm zum Thema Stressprävention für weiterführende Schulen entwickelt. Außerdem bietet sie Kindern ab zwölf Jahren individuell an, ihre seelische Stärke mit einer neuen Software zu trainieren. „DAK Smart4me“ ist kostenfrei zugänglich und passwortgeschützt auf Smartphones und allen anderen Bildschirmgeräten nutzbar. Infos dazu gibt es unter: www.dak.de/smart4me

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