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RSV-Infektionen: fünfmal so viele Klinikbehandlungen bei Neugeborenen und Säuglingen im Winter 2022

Hamburg, 2. März 2023. Bei Neugeborenen und Säuglingen sind die Klinikbehandlungen mit dem sogenannten RS-Virus in der Pandemie drastisch gestiegen. Die Zahl der unter Einjährigen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) lag im 4. Quartal 2022 fünfmal höher als im gleichen Zeitraum 2018. Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder mussten im Winter 2022 rund 17.000 Neugeborene und Säuglinge im Krankenhaus behandelt werden. Der Anteil auf den Intensivstationen stieg um 350 Prozent. Das zeigt eine repräsentative DAK-Sonderanalyse des Kinder- und Jugendreports. Als erste Krankenkasse hat die DAK-Gesundheit die Krankenhausbehandlungen von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf RSV-Infektionen bis Ende 2022 untersucht. Mediziner beobachten erhebliche Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. DAK-Chef Andreas Storm sieht akuten Handlungsbedarf der Politik.

Für die DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 786.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022. Damit legt die Krankenkasse erstmals aktuelle Daten zu RSV-Infektionen und Atemwegserkrankungen vor. Nach der Analyse haben sich die Klinikbehandlungen von Neugeborenen und Säuglingen mit einer RSV-Infektion im Vergleich der vierten Quartale 2022 und 2018 verfünffacht. Den Anstieg gab es auch bei den besonders schweren Fällen: So hat sich die Zahl der Behandlungen auf Intensivstationen vervierfacht.

„Unsere Analyse zeichnet ein dramatisches Bild und macht deutlich: Es gibt einen akuten Handlungsbedarf der Politik“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir müssen im Klinikbereich und im ambulanten Sektor in Zukunft besser auf Infektionswellen vorbereitet sein. Es kann nicht sein, dass vorhandene Behandlungsplätze wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. Das müssen wir künftig unbedingt vermeiden.“ Die Sofort-Maßnahmen der Politik, wie zusätzliche Mittel für Kinderkliniken oder die Behandlungen von Atemwegserkrankungen durch niedergelassene Kinderärztinnen und Kinderärzte gingen in die richtige Richtung. Storm begrüßt diese Maßnahmen ausdrücklich. Es müsse bei den anstehenden Reformen aber auch zu strukturellen Veränderungen kommen. „Die beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen müssen konsequent und schnell umgesetzt werden“, so Storm. „Denn es geht vor allem darum, die Gesundheit von Neugeborenen und Säuglingen zu schützen. Wir müssen alles tun, damit Kinder in diesem Land gut und gesund aufwachsen.“

Ausfall der RSV-Welle in der Pandemie
Die DAK-Sonderanalyse macht deutlich, dass während der Covid-19-Pandemie nahezu keine Kinder mit RSV-Infektionen im Krankenhaus behandelt worden sind. Nach der Corona-Pandemie hat sich der Höhepunkt der RSV-Welle zeitlich nach vorne verschoben. Und es wurden merklich mehr Kinder stationär versorgt: So stieg der Anteil der Neugeborenen und Säuglinge, die mit RSV im Krankenhaus behandelt wurden, in der Saison 2021/22 gegenüber der Saison 2018/19 um das Dreifache. Hochgerechnet mussten in der Saison 2021/22 bundesweit rund 30.000 Neugeborene und Säuglinge in Kliniken versorgt werden. Atemwegserkrankungen sind ein vergleichsweise häufiger Grund für eine Krankenhausbehandlung im Kindes- und Jugendalter. So waren in der Saison 2021/22 insgesamt 64 Prozent aller Krankenhausaufenthalte von Kindern und Jugendlichen auf Atemwegsinfekte zurückzuführen. 17 Prozent aller Kinder, die mit Atemwegserkrankungen in Kliniken versorgt wurden, waren Neugeborene und Säuglinge unter einem Jahr.

Medizin-Experten sehen erhebliche Nachholeffekte
"Die Ergebnisse zeigen genau das, was wir in den Praxen erlebt haben“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. RSV-Infektionen seien die Ursache typischer saisonaler Atemwegsinfektionen, die wellenförmig verlaufen. Diese Wellen seien unvorhersehbar stark ausgeprägt, was natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Krankheitslast nicht nur in den Kliniken habe. „Die Saison 2020/21 ist wegen der Corona-Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen. Dieser Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 lassen den Schluss zu, dass es zu erheblichen Nachholeffekten infolge der Corona-Maßnahmen gekommen ist.“

Dies bestätigt auch Prof. Dr. med. Johannes G. Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg: „Die ausgeprägt starke Krankheitslast durch RSV-Erkrankungen im Herbst 2021 und Herbst/Winter 2022/23 hat verschiedene Gründe. In erster Linie sind hierfür die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen während der Corona-Pandemie wie Kontaktverbote oder Schulschließungen zu nennen. Durch diese kam es im März 2020 zu einem abrupten Abbruch der RSV-Saison 2019/2020 sowie zu einem nahezu kompletten Ausfall der RSV-Saison im Herbst/Winter 2020/2021.“ Dadurch hätte sich die übliche Infektionsinzidenz in allen Altersgruppen erheblich reduziert. „Das Aufholen beziehungsweise Nachholen dieser RSV-Infektionen nach Lockerung der Corona-Maßnahmen führte zu einem überaus starken Wiederanstieg an RSV-Erkrankungen in allen Altersgruppen“, so Liese. „An der Krankheitslast von Neugeborenen und Säuglingen, die besonders häufig im Krankenhaus behandelt werden müssen, war dies besonders eindrücklich zu erkennen.“

Für BVKJ-Präsident Fischbach ist auffällig, dass ungewöhnlich viele Neugeborene und Säuglinge trotz erheblicher Krankheitslast nicht stationär aufgenommen werden konnten, weil kein Platz mehr in den Kliniken war. Dies habe in der ambulanten Versorgung zu einem erheblichen Betreuungs- und Versorgungsaufwand geführt, da engmaschige Kontrollen erforderlich gewesen wären. „Die Kliniken arbeiteten an ihren Kapazitätsgrenzen, was nicht zuletzt auch durch coronabedingt hohe Personalausfälle bedingt war. Das galt auch für den ambulanten Versorgungsbereich“, so Fischbach. Die DAK-Sonderanalyse zeige, wie wichtig die Infektionssurveillance sei. „Es gilt, unbedingt die weitere Entwicklung abzuwarten und die RSV-Epidemiologie der kommenden Jahre genau zu verfolgen“, so Fischbach. „Gleichzeitig müssen die Bettenkapazität und die Personalausstattung der Kinderkliniken und -Abteilungen verbessert werden. Wir brauchen mehr Kinderkrankenschwestern und -Pfleger, die durch eine fachbezogene Ausbildung gewonnen werden müssen. Analoges gilt für den Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA), der attraktiver werden muss.“

Auch Professor Liese fordert mehr Personal in den Kinderkrankenhäusern: „Wir brauchen eine substanziell bessere Ausstattung der Kinderkliniken, die auch die saisonalen – gerade auch durch das RS-Virus – infektionsbedingten Schwankungen in der Belegung berücksichtigt und weiterhin eine gute Versorgung in diesen Zeiten der Überlastung ermöglicht“, sagt er. Zudem regt Liese eine Vernetzung der Kinderkrankenhäuser an. „Es braucht so schnell wie möglich ein System zum Austausch der Kliniken über freie Bettenkapazitäten ähnlich wie bei Covid-19.“ Wichtig sei auch eine bessere Forschungsförderung, was die Epidemiologie, Prävention und Therapie von RS-Virus-Infektionen angehe.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

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